Der Zen-Meister Hakuin ist eine von den ganz seltenen Blumen. Einst kam ein Krieger zu ihm, ein Samurai, ein großer Soldat; der fragte: "Gibt es eine Hölle? Gibt es einen Himmel? Und wenn es Himmel und Hölle gibt, wo sind die Tore? Von wo aus betrete ich sie?" Er war ein einfacher Krieger. Krieger sind immer einfach, ohne Hintergedanken, ohne Berechnung. Für sie gibt es nur zwei Dinge: Leben oder Tod. Er war nicht gekommen, um irgendeine Ideologie zu hören; er wollte wissen, wo das Tor war, um die Hölle zu meiden und den Himmel betreten zu können. Und Hakuin antwortete auf eine Art und Weise, die nur ein Krieger verstehen konnte. Hakuin sagte: "Wer bist Du?" Der Krieger antwortete: "Ich bin ein Samurai." In Japan ist es eine sehr stolze Sache, ein Samurai zu sein. Es bedeutet, dass man ein perfekter Krieger ist, ein Mensch, der nicht einen Augenblick zögert, sein Leben zu opfern. Er sagte: "Ich bin ein Samurai, ich bin ein Anführer von Samurais. Sogar der Kaiser erweist mir seinen Respekt." Hakuin lachte und sagte: "Du, ein Samurai? Du siehst aus wie ein Bettler!" Sein Stolz war verletzt. Der Samurai vergaß, weshalb er gekommen war. Er zog sein Schwert und wollte Hakuin auf der Stelle umbringen. Da lachte Hakuin und sagte: "Dies ist das Tor zur Hölle. Mit diesem Schwert, dieser Wut, diesem Ego, öffnet sich hier das Tor." Dies kann ein Krieger verstehen. Der Samurai verstand unmittelbar. Er steckte das Schwert zurück in die Scheide und Hakuin sagte: "Hier öffnet sich das Tor zum Himmel."
Ein junger Schüler trat vor Tao-hsin und sprach: "Ich will es verstehen und erfahren. Bitte hilf mir." Tao-hsin sagte: "In deiner Frage sprichst du von 'ich' und von 'es'. Was bedeuten diese Worte? Beantworte mir meine Frage und ich beantworte dir deine." Der Schüler trat Wochen später wieder vor Tao-hsin und sagte: "'ich' das ist mein Geist und 'es' ist die ihn umgebende Welt." Tao-hsin erwiderte "Nein, das ist es nicht." Der Schüler trat Monate später vor Tao-hsin und sagte: "'ich' und 'es' sind eins: Es ist alles und doch nichts." Tao-hsin erwiderte: "Nein, das ist es nicht." Jahre später trat der Schüler vor Tao-hsin und bedankte sich herzlich für den Rat, den er vor Jahren erhalten hatte.
Ein alter Mann, der mit seinem Sohn zusammen lebte, züchtete Pferde. Eines Tages lief sein wertvollster Hengst davon. Die Nachbarn kamen, um ihr Bedauern auszudrücken, doch der Mann sagte nur: "Woher wisst ihr, dass dies ein Unglück ist?" Am nächsten Tag kam der Hengst, begleitet von einigen Wildpferden zurück, und die Nachbarn kamen wieder, um zu dem Glücksfall zu gratulieren, doch der Mann sagte nur: "Woher wisst ihr, dass dies ein Glücksfall ist?" Am nächsten Tag wurde der Sohn beim Versuch, eines der Tiere zuzureiten, abgeworfen und brach sich ein Bein. Wieder kamen die Nachbarn, um ihr Mitleid zu bekunden, doch der Mann sagte nur: "Woher wisst ihr, dass dies ein Unglück ist?" Kurz darauf kam es zu kriegerischen Auseinandersetzungen, doch da der Sohn verletzt war, wurde er nicht als Soldat einberufen.
Ein Zen-Schüler der die Erleuchtung suchte beklagte sich bei seinem Meister ständig darüber, dass dessen Erläuterungen unvollständig seinen und der Meister ihm irgendeinen entscheidenden Hinweis vorenthalte. Der Meister versicherte, dass er ihm nichts vorenthalte. Der Schüler bestand darauf, dass es etwas gebe, was der Meister ihm vorenthalte. Der Meister bestand darauf, dass er ihm rein gar nichts vorenthalte. Etwas später gingen die beiden auf einem Pfad durch die Berge spazieren. Plötzlich sagte der Meister: „Riechst Du den Duft des Berglorbeers?“ Der Schüler sagte „Ja.“ „Siehst Du,“ antwortete der Meister, „ich enthalte Dir gar nichts vor.“
Ein junger Mann suchte einen Zen-Meister auf. „Meister, wie lange wird es dauern, bis ich Befreiung erlangt habe?“ „Vielleicht zehn Jahre“, entgegnete der Meister. „Und wenn ich mich besonders anstrenge, wie lange dauert es dann?“, fragte der Schüler. „In dem Fall kann es zwanzig Jahre dauern“, erwiderte der Meister. „Ich nehme aber wirklich jede Härte auf mich. Ich will so schnell wie möglich ans Ziel gelangen“, beteuerte der junge Mann. „Dann“, erwiderte der Meister, „kann es bis zu vierzig Jahre dauern.“
Einige Würdenträger der Stadt waren in einem Zen Kloster zu einem einfachen Mal geladen. Um den Zen Meister zu beeindrucken, unterhielten sie sich über höchst spirituelle Themen, über Wiedergeburt und Karma. Schließlich ergriff der Bürgermeister das Wort: „Verehrter Meister, uns würde vor allem Ihre Meinung zum Thema Wiedergeburt interessieren“. Der Meister schaute von seinem Teller auf und sagte: „Haben Sie schon gekostet? Der Rettich schmeckt ausgezeichnet.“
Zen-Meister Bokaju wurde einst von einem Mönch gefragt: „Wir müssen uns jeden Tag anziehen und essen, wie können wir von all dem loskommen?“ Bokaju antwortete: „Wir ziehen uns an, wir essen.“ Der Mönch sagte: „Das verstehe ich nicht.“ Da sagte Bokaju: „Wenn Du es nicht verstehst, zieh Deine Kleider an und iss Deine Mahlzeiten.“
Drei heilige Männer gingen zusammen auf Reisen. Der eine war ein indischer Yogi, der zweite ein Sufi-Derwisch, der dritte ein Zen-Mönch. Unterwegs kamen sie zu einem kleinen Fluss. Die Brücke, die ursprünglich darüber führte, war vom Schmelzwasser weggespült worden. „Ich zeige euch, wie man einen Fluss überquert“, sagte der Yogi - und ging doch tatsächlich hinüber, und zwar direkt auf der Wasseroberfläche! „Nein, nein, so macht man das nicht“, sagte der Derwisch. „Passt gut auf, Freunde.“ Er fing an, sich im Kreis zu drehen, schneller und schneller, bis er nur noch ein verwaschener Fleck aus konzentrierter Energie war, und ganz plötzlich - peng! - sprang er an das anderer Ufer. Der Zen-Mönch stand da und schüttelte den Kopf. „Ihr Dummköpfe“, sagte er, „ich zeige euch, wie man einen Fluss überquert.“ Und damit hob er sein Gewand an und watete vorsichtig durch den Fluss.
Ein Zen-Schüler fragte seinen Meister: „Was ist das Wichtigste im Zen?“ „Aufmerksamkeit“, erwiderte der Meister. „Ach, vielen Dank“, sagte der Schüler. „Aber kannst du mir das Zweitwichtigste verraten?“ Und der Meister antwortete: „Aufmerksamkeit“.
Milarepa hatte überall nach Erleuchtung gesucht, aber nirgends eine Antwort gefunden, bis er eines Tages einen alten Mann langsam einen Bergfpad herabsteigen sah, der einen schweren Sack auf der Schulter trug. Milarepa wusste augenblicklich, dass dieser alte Mann das Geheimnis kannte, nach dem er so viele Jahre verzweifelt gesucht hatte. „Alter, sage mir bitte, was du weißt. Was ist Erleuchtung?“ Der alte Mann sah ihn lächelnd an, dann ließ er seine schwere Last von der Schulter gleiten und richtete sich auf. „Ja, ich sehe!“ rief Milarepa. „Meinen ewigen Dank! Aber bitte erlaube mir noch eine Frage: Was kommt nach der Erleuchtung?“ Abermals lächelte der Mann, bückte sich und hob seinen schweren Sack wieder auf. Er legte ihn sich auf die Schulter, rückte die Last zurecht und ging lachend seines Weges.
Ein Professor wanderte weit in die Berge, um einen berühmten Zen-Mönch zu besuchen. Als der Professor ihn gefunden hatte, stellte er sich höflich vor, nannte alle seine akademischen Titel und bat um Belehrung. „Möchten Sie Tee?“ fragte der Mönch. „Ja, gern“, sagte der Professor. Der alte Mönch schenkte Tee ein. Die Tasse war voll, aber der Mönch schenkte weiter ein, bis der Tee überfloss und über den Tisch auf den Boden tropfte. „Genug“ rief der Professor. „Sehen Sie nicht, dass die Tasse schon voll ist? Es geht nichts mehr hinein.“ Der Mönch antwortete: Genau wie diese Tasse sind auch Sie voll von Ihrem Wissen und Ihren Vorurteilen. Um Neues zu lernen, müssen Sie erst Ihre Tasse leeren.“
Ein Zen-Meister sagte zu seinem Schüler: „Geh zum Fluss und hole mir eine Tasse Wasser.“ Als der Schüler am Fluss die Tasse mit Wasser füllte, sah er flussaufwärts eine wunderschöne Frau in seinem Alter. Die Frau nahm ihn ebenfalls in Augenschein, und mit einem Mal verliebten sie sich unsterblich ineinander. Er zog zu ihr auf das Gut ihrer Familie in einem ruhigen Dorf, und sie bauten ein Haus. Über die Jahre wurden ihnen Kinder geboren. Sie waren glücklich miteinander und ernährten sich von der Landwirtschaft, die sie betrieben. Eines Tages kam eine Flut. Das Dorf wurde überschwemmt, und er musste sich mit seiner Familie auf das Dach des Hauses retten. Da zog ein großer Sturm auf. Seine Kinder wurden eins nach dem anderen vom reißenden Wasser fortgerissen und schließlich ertranken sie darin. Auch seine Frau wurde fortgespült und kam in den Fluten um. Als der Sturm sich legte, saß er einsam und verzweifelt zusammengekauert auf dem Dach seines Hauses. Er starrte in die Luft. Ein Alptraum - nach all den glücklichen und schönen Jahren! Da legte sich von hinten eine Hand auf seine Schulter. Es war die Hand seines Meisters, der ihn fragte: „Wo bleibst du so lange? Wolltest du nicht bloß eine Tasse Wasser holen?“
Eines Tages entschieden die Frösche, einen Wettlauf zu veranstalten. Um es besonders schwierig zu machen, legten sie als Ziel fest, auf den höchsten Punkt eines großen Turms zu gelangen. Am Tag des Wettlaufs versammelten sich viele andere Frösche, um zuzusehen. Dann endlich – der Wettlauf begann. Nun war es so, dass keiner der zuschauenden Frösche wirklich glaubte, dass auch nur ein einziger der teilnehmenden Frösche tatsächlich das Ziel erreichen könne. Anstatt die Läufer anzufeuern, riefen sie also „Oje, die Armen! Sie werden es nie schaffen!“ oder „Das ist einfach unmöglich!“ oder „Das schafft Ihr nie!“ Und wirklich schien es, als sollte das Publikum Recht behalten, denn nach und nach gaben immer mehr Frösche auf. Das Publikum schrie weiter: „Oje, die Armen! Sie werden es nie schaffen!“ Und wirklich gaben bald alle Frösche auf – alle, bis auf einen einzigen, der unverdrossen an dem steilen Turm hinaufkletterte – und als einziger das Ziel erreichte. Die Zuschauerfrösche waren vollkommen verdattert und alle wollten von ihm wissen, wie das möglich war. Einer der anderen Teilnehmerfrösche näherte sich ihm, um zu fragen, wie er es geschafft hatte, den Wettlauf zu gewinnen. Und da merkten sie erst, dass dieser Frosch taub war!
Ein eifriger Schüler des Buddhismus bestand sein Studium und durfte sich fortan Geshe nennen. Gewissenhaft hatte er die Schriften, ihre richtige Lesart und die exakte Aussprache aller Mantren gelernt. Er zog in die Welt, um zu lehren. Unterwegs kam er an ein Seeufer, wo seit vielen Jahren ein betagter Mönch wohnte. Er führte ein Leben der Meditation. Der junge Geshe hörte, wie er sein Mantra sang und stellte dabei fest, dass der Alte es fehlerhaft intonierte. Er setzte sich zu dem Mönch und wartete, bis dieser ihn bemerkte und freundlich begrüßte. Anschließend erklärte er ihm behutsam, wie das Mantra richtig auszusprechen sei. Der Mönch bedankte sich für die Lektion. „Welch eine Freude, dass mir nach langen Jahren des Übens ein Lehrer zur Hilfe geschickt wurde.“ Zufrieden wanderte der junge Geshe weiter um eine Brücke zu finden, die in auf die andere Seite bringen sollte. Als er diese gefunden hatte und am anderen Ufer des Sees eine Rast einlegte, sah er, wie der alte Mönch eilig über das Wasser auf ihn zugelaufen kam. Gleich darauf hörte er ihn rufen: „Verzeiht mir, werter Geshe, ich bin schon alt und vergesslich. Erklärt mir doch noch einmal, wie man das Mantra richtig ausspricht.“
Zwei Mönche waren unterwegs auf der Wanderschaft. Eines Tages gelangen sie ans Ufer eines Flusses, dessen Ufer durch eine Regenperiode aufgeweicht waren. Dort stand eine junge Frau in schönen, teuren Kleidern. Offenbar war sie im Begriff, den Fluss zu überqueren. Da das Wasser sehr tief war, hätte sie ihn nicht durchwaten können, ohne dabei ihre Kleider zu schädigen. Ohne zu zögern ging der ältere Mönch auf die Frau zu, hob sie auf seine Schultern und watete mit ihr durch das Wasser. Auf dem gegenüber liegenden Flussufer setzte er sie trockenen Fußes ab. Nachdem der jüngere Mönch ebenfalls den Fluss überquert hatte, setzten die beiden ihre Wanderung fort. Eiige Stunde später fing der Jüngere an, den seinen älteren Kameraden zu kritisieren: „Bist du dir im Klaren, dass du nicht korrekt gehandelt hast, denn wie du weißt, ist es untersagt, näheren Kontakt mit Frauen zu haben oder mit ihnen zu sprechen. Und du hast sie sogar berührt. Wieso hast du gegen diese Regel verstoßen?“ Der Mönch, der die Frau über den Fluss getragen hatte, hörte sich die Vorwürfe des anderen mit Bedacht an. Dann antwortete er ruhig: „Ich habe die Frau nur über den Fluss getragen. Aber Du hast sie bis hier hin getragen.“
Eines Tages machte ein Zen-Lehrer in Begleitung seiner Schüler einen Spaziergang auf dem Land. Einer der Mönche trödelte und blieb zurück. Plötzlich sah er einen Wildgänseschwarm auf- und vorbeifliegen. Er genoss die farbenprächtige Szene, den Anblick ihrer Schnelligkeit und ihr Flügelrauschen. Der entzückte Mönch rief: „Meister, Meister sieh die Gänse!“ Als der Lehrer sich umwandte, war der Vogelschwarm bereits am Horizont verschwunden. „Oh“, sagte der Mönch, „sie sind verschwunden.“ Der Meister kam auf ihn zu, hob seinen Stock und sagte: „Oh, du Unwissender“, und schlug ihn mit dem Stock. „Sie sind immer hier, sie sind niemals hier.“
Eines Tages drang ein Dieb in die Hütte des ZenMeisters Shichiri Kojun ein: „Geld her oder ich werde dich töten!“ drohte er. Kojun erwiderte ruhig: „Mein Geld ist dort drüben in der Schublade. Nimm es dir, aber vielleicht bist du so nett und lässt mir noch ein klein wenig übrig, da ich morgen noch etwas Reis einkaufen möchte.“ Der Dieb war zwar sehr erstaunt, nahm sich dann aber doch fast das ganze Geld. Als er schon an der Tür war, sagte Kojun: „Wenn man etwas erhalten hat, sollte man sich auch dafür bedanken.“ „Danke“ erwiderte der Dieb kopfschüttelnd und verschwand. Wenig später wurde der Mann bei einem anderen Einbruch verhaftet, und er gestand, unter anderem auch den Zen-Meister bestohlen zu haben, der daraufhin zur Polizeiwache gerufen wurde. „Er hat auch euer Geld gestohlen, nicht wahr?“ fragte der Polizist. „Oh nein, er hat mir nichts gestohlen. Ich gab ihm das Geld, und er bedankte sich dafür“ sagte Kojun. Als der Mann seine wegen der anderen Vergehen gegen ihn verhängte Strafe verbüßt hatte, kam er zu Zen-Meister Kojun und bat darum, sein Schüler werden zu dürfen.
In Korea gab es zur Zeit der Bürgerkriege einen ganz besonders grausamen General, der Menschen wahllos niedermetzelte und vor dessen Truppen alle flohen. Nur ein Zen-Meister machte keine Anstalten zu fliehen, als der General mit seinen Männern das Dorf einnahm. Der General ging in das Kloster, zog vor dem Meister sein Schwert und drohte: „Weißt du nicht, wer ich bin? Ohne mit den Wimpern zu zucken kann ich dich töten.“ Der Zen-Meister erwiderte sanft: „Und du, weißt du nicht wer ich bin? Ich bin ein Mann, der ohne mit der Wimper zu zucken bereit ist zu sterben.“ Da verneigte sich der General und untersagte seinen Männern, das Dorf zu plündern.
Ein bereits älterer Mönch kam zu einem Zen-Meister und sagte: „Ich habe in meinem Leben eine Vielzahl von spirituellen Lehrern aufgesucht und nach und nach immer mehr Vergnügungen aufgegeben, um meine Begierden zu bekämpfen. Ich habe lange Zeit gefastet, jahrelang mich dem Zölibat unterworfen und mich regelmäßig kasteit. Ich habe alles getan, was von mir verlangt wurde, und ich habe wahrhaft gelitten, doch die Erleuchtung wurde mir nicht zuteil. Ich habe alles aufgegeben, jede Gier, jede Freude, jedes Streben fallengelassen. Was soll ich jetzt noch tun?“ Der Meister erwiderte: „Gib das Leiden auf!“
Ein leidenschaftlicher Schachspieler wünschte Befreiung von seiner Neigung, sich als Versager zu fühlen, jedes Mal wenn er eine Partie Schach verloren hatte. Nachdem er zwei Jahre bei einem berühmten Rabbi in die Lehre gegangen war, glaubte er, versagt zu haben, jedes Mal wenn er gewonnen hatte. Anschließend war er drei Jahre lang der Schüler eines Sufi-Weisen, von dem er lernte, dass er versagt hatte, jedes Mal wenn er sich als Verlierer gut fühlte. Immer noch unbefriedigt, ging er vier Jahre lang in die Himalayaberge, wo er von einem bekannten Yogi lernte, dass er versagt hatte, jedes Mal wenn er sich schuldig fühlte, weil er gewonnen hatte. Schließlich begegnete er einem Zen-Meister. Innerhalb weniger Wochen lernte er endlich, wie man die Bauern geschickt platziert.
Was machst du, um dich zu entspannen?“ fragt der Schüler seinen Meister. „Nichts“ erwiderte der Meister. „Wenn ich gehe, gehe ich, wenn ich esse, esse ich, und wenn ich schlafe, schlafe ich. „Das tun doch alle“ meinte der Schüler darauf. „Eben nicht!“ antwortete der Meister.
Ein Meister des Bogenschießens riet seinem Schüler: „Unterlass es, an den Abschuss zu denken. Sonst muss er misslingen!“ „Ich kann nicht anders, die Spannung bereitet mir Schmerzen“ gestand der Schüler. „Nur deshalb, weil du nicht wirklich von dir selbst losgelöst bist, spürst du die Spannung. Du kannst von einem gewöhnlichen Bambusblatt lernen, worauf es ankommt. Es wird durch die Schneelast es herabgedrückt, immer tiefer. Plötzlich rutscht die Schneelast ab, ohne dass das Blatt sich gerührt hätte. Verweile wie das Blatt in der höchsten Spannung, bis der Schuss fällt. So ist es in der Tat: wenn die Spannung erfüllt ist, muss der Schuss fallen. Er muss vom Schützen abfallen, wie die Schneelast vom Bambusblatt, noch ehe er daran gedacht hat.“
Einst saß ein alter, weiser Mann unter einem Baum und sah den Tod des Weges kommen. Der Weise fragte ihn: „Wohin gehst Du?“ Der Tod antwortete ihm: „Ich gehe in die Stadt und werde dort hundert Menschen töten.“ Auf seiner Rückreise kam der Tod wieder bei dem Weisen vorbei. Der Weise sprach zu ihm: „Du sagtest mir, Du wolltest hundert Menschen töten. Reisende haben mir allerdings berichtet, dass zehntausend gestorben seien.“ Der Tod erwiderte: „Ich tötete nur hundert. Die übrigen hat ihre eigene Angst umgebracht.“
In den Raum eines Zen-Meisters tropfte der Regen durch das undichte Dach. Der Meister forderte seine Schüler auf: „Bringt mir etwas, das die Strohmatten trocken hält.“ Ohne einen Augenblick zu zögern, griff der erste Mönch zu einem Bambuskorb. Sein Mitschüler hingegen suchte lange nach einem geschlossenen Behälter und brachte ihn dem Meister. Der Meister war hocherfreut über den Schüler, der den undichten Korb gebracht hatte, denn dieser hatte den Geist des Zen erfasst.
Meister Bokuden hatte seine drei Söhne zur Ausbildung zu einem Schwertmeister geschickt und wollte nun aufgrund ihres Könnens entscheiden, wem der drei nun ein Schwert überlassen werden könne. Bokuden schickte seine Söhne aus dem Raum und legte für diese unsichtbar ein kleines Kissen auf die Vorhangstange des Eingangs, sodass, wenn der Vorhang beim Betreten des Raumes berührt wurde, das Kissen leicht herunterfiel. Dann rief er seinen ersten Sohn in den Raum. Als dieser den Vorhang zur Seite schob, fiel das Kissen zu Boden. Er hob es auf und legte es dann wieder an seine Stelle. Daraufhin rief Bokuden den zweiten Sohn. Dieser bemerkte das Kissen, als er den Vorhang zur Seite schieben wollte, nahm das Kissen, trat ein und legte es wieder an seinen Platz. Dann kam der dritte Sohn. Der kam rasch herein, zog schnell den Vorhang zur Seite, so dass das Kissen herunterfiel. Bevor dieses jedoch den Boden erreichte, hat der Sohn sein Schwert gezogen und das Kissen in zwei Hälften geteilt. Die drei Söhne standen nun im Raum und warteten, dass die Probe beginnen sollte. Da lächelte Bokuden und sagte, dass diese bereits beendet sei und sie nur einer bestanden habe. Zum ersten Sohn gewandt, sagte er: „Du, mein Sohn musst noch fleißig üben.“ Zum zweiten, der das Kissen bemerkt hatte, sagte er dagegen: „Du mein Sohn bist würdig ein Schwert zu führen.“ Zum dritten Sohn jedoch sagte er in ernstem Ton: „Dir, mein Sohn, sollte niemals erlaubt werden, ein Schwert zu führen, denn Du bist das Unglück der Familie.“
Ein Mann war auf der Wanderung durch den dichten Dschungel. Plötzlich sprang ein Tiger aus dem Gebüsch. Der Mann rannte davon, doch das wilde Tier folgte ihm. Der Mann rannte und rannte. Er kam an eine Klippe. Dort ergriff er in seiner Verzweiflung eine wilde Weinrebe und sprang über den Rand. Nun hing er an der Weinrebe, voller Angst. Unter ihm konnte er auch noch einen zweiten Tiger entdecken, der nach oben zu ihm hinauf fauchte und nur darauf wartete, ihn fressen zu können. Über ihm stand der andere Tiger und starrte ihn aus gelben Augen grimmig an. Die Weinrebe gab ein Stückchen nach und der Mann konnte sehen, dass sie kurz davor war, zu reißen. Dann fiel sein Blick auf eine saftige Weintraube gleich vor seiner Nase. Während er sich mit der einen Hand weiter festhielt, pflückte er sich eine Traube und steckte sie in den Mund. Wie köstlich sie schmeckte!
Zu einem alten Zen-Meister kam ein junger Zen-Schüler. Der Meister empfing ihn in seiner Klosterzelle und fragte: „Warst Du früher schon einmal bei mir?“ Der Jüngling verneinte. „Gut“, sprach der Meister, „dann trink erst einmal eine Tasse Tee.“ Damit entließ er ihn. Wenig später ließ sich ein zweiter Schüler beim Meister melden. Auch ihm stellte dieser die gleiche Frage, wie dem ersten. „Ja“, sagte der Schüler, „vor einem Jahr war ich schon einmal bei Euch.“ „Gut“, sprach der Alte, „dann trink erst einmal eine Tasse Tee.“ Das beunruhigte den Vorsteher des Klosters. „Meister“, sagte er, „ich verstehe das nicht. Ihr fragtet die beiden Novizen, ob sie schon einmal hier gewesen seien. Der eine sagte nein, der andere ja; doch beide erhielten die gleiche Antwort. Was habt Ihr damit gemeint?“ „Klostervorsteher!“ rief der Meister. „Ja?“ erwiderte der. „Trink erst einmal eine Tasse Tee!“
Am Strand des Meeres wohnten drei alte Mönche. Sie waren so weise und fromm, dass jeden Tag ein kleines Wunder für sie geschah. Wenn sie nämlich morgens ihre Andacht verrichtet hatten und zum Bade gingen, hängten sie ihre Mäntel in den Wind. Und die Mäntel blieben im Wind schweben, bis die Mönche wiederkamen, um sie zu holen. Eines Tages, als sie sich wieder in den Wellen erfrischten, sahen sie einen großen Seeadler übers Meer fliegen. Plötzlich stieß er auf das Wasser herunter, und als er sich wieder erhob, hielt er einen zappelnden Fisch im Schnabel. Der eine Mönch sagte: „Böser Vogel!“ Da fiel sein Mantel aus dem Wind zur Erde nieder, wo er liegenblieb. Der zweite Mönch sagte: „Du armer Fisch!“ – Und auch sein Mantel löste sich und fiel auf die Erde. Der dritte Mönch sah dem enteilenden Vogel nach, der den Fisch im Schnabel trug. Er sah ihn kleiner und kleiner werden und endlich im Morgenlicht verschwinden. Der Mönch schwieg – sein Mantel blieb im Winde hängen.
Eines Tages hielt ein Zeitmanagementexperte einen Vortrag vor einer Gruppe Studenten, die Wirtschaft 56 studieren. Er möchte ihnen einen wichtigen Punkt vermitteln mit Hilfe einer Vorstellung, die sie nicht vergessen sollen. Als er vor der Gruppe dieser qualifizierten angehenden Wirtschaftsbosse steht, sagt er: „Okay, Zeit für ein Rätsel“. Er nimmt einen leeren 5-Liter Wasserkrug mit einer sehr großen Öffnung und stellt ihn auf den Tisch vor sich. Dann legt er ca. zwölf faustgroße Steine vorsichtig einzeln in den Wasserkrug. Als er den Wasserkrug mit den Steinen bis oben gefüllt hat und kein Platz mehr für einen weiteren Stein ist, fragt er, ob der Krug jetzt voll ist. Alle sagen: „Ja“. Er fragt: „Wirklich?“ Er greift unter den Tisch und holt einen Eimer mit Kieselsteinen hervor. Einige hiervon kippt er in den Wasserkrug und schüttelt diesen, sodass sich die Kieselsteine in die Lücken zwischen den großen Steinen setzen. Er fragt die Gruppe erneut: „Ist der Krug nun voll?“ Jetzt hat die Klasse ihn verstanden und einer antwortet: „Wahrscheinlich nicht!“ „Gut!“ antwortet er. Er greift wieder unter den Tisch und bringt einen Eimer voller Sand hervor. Er schüttet den Sand in den Krug und wiederum sucht sich der Sand den Weg in die Lücken zwischen den großen Steinen und den Kieselsteinen. Anschließend fragt er: „Ist der Krug jetzt voll?“ „Nein!“ ruft die Klasse. Nochmals sagt er: „Gut!“ Dann nimmt er einen mit Wasser gefüllten Krug und gießt das Wasser in den anderen Krug bis zum Rand. Nun schaut er die Klasse an und fragt sie: „Was ist der Sinn meiner Vorstellung?“ Ein Angeber hebt seine Hand und sagt: „Es bedeutet, dass egal wie voll auch dein Terminkalender ist, wenn du es wirklich versuchst, kannst du noch einen Termin dazwischen schieben“. „Nein“, antwortet der Dozent, „das ist nicht der Punkt. Die Moral dieser Vorstellung ist: Wenn du nicht zuerst mit den großen Steinen den Krug füllst, kannst du sie später nicht mehr hineinsetzen. Was sind die großen Steine in eurem Leben? Eure Kinder, Personen, die ihr liebt, eure Ausbildung, eure Träume, würdige Anlässe, Lehren und Führen von anderen, Dinge zu tun, die ihr liebt, Zeit für euch selbst, eure Gesundheit, eure Lebenspartner? Denkt immer daran, die großen Steine zuerst in euer Leben zu bringen, sonst bekommt ihr sie nicht alle unter. Wenn ihr zuerst mit den unwichtigen Dingen beginnt, dann füllt ihr euer Leben mit kleinen Dingen voll und beschäftigt euch mit Sachen, die keinen Wert haben und ihr werdet nie die wertvolle Zeit für große und wichtige Dinge haben.“
Eines Tages ging der Meister mit einigen seiner Schüler am Flussufer spazieren. Er sprach: „Seht, wie die Fische im Wasser umher schnellen. Sie sind ganz in ihrem Element und genießen das wahrlich.“ Ein Fremder, der die Aussage des Meisters mit angehört hatte, rief aus: „Meister - woher wisst Ihr das denn? Ihr seid doch gar kein Fisch!“ Die Schüler hielten den Atem an. Was für ein unverschämter Mann dieser Fremde war! Doch der Meister lächelte milde und sprach: „Und Du, woher weißt Du, dass ich kein Fisch bin - schließlich bist Du ja auch nicht ich!“ Den Schülern erschien die Antwort des Meisters wie eine Zurechtweisung und sie lachten. Aber der Fremde war tief betroffen, denn er erkannte den Sinn in den Worten des Meisters. Er grübelte lange über den Satz und kam dann erneut zum Meister: „Ja, vielleicht unterscheidet Ihr Euch tatsächlich gar nicht so sehr von dem Fisch - und ich mich nicht von Euch.“
Njoku kommt zum Meister und bittet ihn um Rat. Er erzählt folgendes: Immer wenn er in der Abendstunde zum Tempel gehe um seine Andacht zu verrichten, sei der Schatten vor ihm so lang und schwarz. Er habe dabei immer das Gefühl, dass auch sein Inneres schwarz und trostlos sei – er fühle sich sehr mit Sünde behaftet. „Was soll ich tun, verehrter Lehrer?“, bittet Njoku. Der Meister sagt: „Hast du die Lösung noch nicht gefunden? Wende dich doch ganz einfach um, dann gibt es keinen Schatten mehr!“
Ein Reisender kam in ein Kloster, um den Meister zu hören. Nach einer Weile sprach er zu einem der anderen Schüler: „Ich bin weit gereist, um dem Meister zuzuhö- ren. Aber jetzt, wo ich ihn höre, finde ich seine Worte ganz gewöhnlich.“ Der Schüler antwortete: „Höre nicht auf seine Worte. Höre auf seine Botschaft.“ „Und wie macht man das?“ „Halte dich an einen Satz, den er sagt. Schüttle ihn dann gut durch, bis alle Wörter herausfallen. Was übrig bleibt, wird dein Herz entflammen.“
Als Kakua, einer der frühen Zen-Weisen im Japan des 9. Jahrhunderts, von einer Reise durch ferne Länder zurückkehrte, bat ihn der Kaiser zu sich und trug ihm auf, alles zu berichten, was er auf seiner Reise erlebt hatte. Kakua verneigte sich tief, schwieg lange, nahm die kleine Bambus-Flöte, die er stets bei sich trug, aus der Tasche und spielte einen einzigen Ton, schwieg erneut, verneigte sich noch tiefer als vorher und – ging. Der Kaiser war ratlos. Aber er bewahrte diesen einen Ton in seinem Herzen und – so wird berichtet – in hohem Alter fand er Erleuchtung.
Ein Schüler kommt von einer Pilgerfahrt zurück, auf der er Satori hatte. Ehrfürchtig nähert er sich dem Meister, der ihn schweigend erwartet, und geht vor ihm auf die Knie. In dem Augenblick, in dem er den Kopf hebt und beginnen will, etwas zu sagen, sausen dreißig harte Stockschläge auf ihn nieder. „Aber Meister“, fragt der Schüler erstaunt, „warum das? Ich habe doch noch kein einziges Wort gesagt.“ Der Meister erwidert: „Hättest du auch nur ein Wort gesagt, es wäre zu spät gewesen.“
Der Meister sagte: „Der Hauptgrund, warum so viele Menschen leiden, liegt darin, dass sie eine Befriedigung aus ihrem Leiden ziehen. Neulich fuhr ich in einem Schlafwagen. Unter mir lag ein Mann, der die ganze Zeit stöhnte: „Mein Gott, bin ich durstig. Ich bin ja so durstig.“ So ging das die ganze Zeit. Schließlich stand ich auf, holte im Speisewagen ein Glas Wasser und brachte es dem Mann, der es dankbar annahm und in einem Zug leerte. Kaum lag ich wieder im Bett, da hörte ich wieder seine Stimme: „Mein Gott, war ich durstig, ach, wie war ich durstig.“
Meister Gutei erhob seinen Finger, wann immer man ihm eine Frage über Zen stellte. Ein junger Diener begann ihn darin nachzuahmen. Wenn jemand den Jungen fragte, worüber sein Meister gepredigt habe, so erhob er seinen Finger. Gutei hörte von dem Unfug des Jungen. Er packte ihn und schnitt ihm den Finger ab. Der Junge schrie und lief davon. Gutei rief ihm nach und hielt ihn zurück. Als der Junge seinen Kopf zu Gutei wandte, erhob Gutei seinen eigenen Finger. In diesem Augenblick wurde der Junge erleuchtet. Als Gutei dabei war, diese Welt zu verlassen, versammelte er seine Mönche um sich. „Ich erhielt mein Finger-Zen“, so sagte er, „von meinem Lehrer Tenryu, und in meinem ganzen Leben konnte ich es nicht ausschöpfen.
Ein junger Zen-Mönch fragte spitzfindig seinen Meister: „Meister, muss man sich nicht erst verlaufen, um seinen Zielort zu finden?“ Der Meister erwiderte: „Seit ich keinen Zielort mehr habe, verlaufe ich mich nicht mehr!“
Im Zen-Kloster wurden auch psychisch Kranke behandelt. Ein Schüler hörte hinter einer Tür einen Besucher wehklagen: „Ach, Yoko, Yoko.“ „Was hat der Mann für ein Problem?“ fragte er den Zen-Meister. „Nun, Yoko war die Frau, die seine Liebe nicht erhört hat“ erklärte der Meister. Wenig später, hinter einer anderen Tür, hörte der Schüler wieder die Stimme eines Mannes: „Oh Yoko, Yoko.“ „Ist diese Yoko auch sein Problem?“ fragte der Schüler. „Ja“, erwiderte der Meister, „ihn hat Yoko erhört und geheiratet“.
Ein Meisterhandwerker im alten China wurde vom Kaiser beauftragt, einen Schrank für des Kaisers Schlafzimmer im kaiserlichen Palast herzustellen. Der Handwerker, ein Zen-Mönch, sagte dem Kaiser, dass er während fünf Tagen nicht in der Lage sein werde, zu arbeiten. Die Spione des Kaisers sahen, wie der Mönch die ganze Zeit dasaß und anscheinend nichts tat. Dann, als die fünf Tage vorbei waren, stand der Mönch auf. Innerhalb dreier Tage fertigte er den außergewöhnlichsten Schrank, den je jemand gesehen hatte. Der Kaiser war so zufrieden und neugierig, dass er den Mönch zu sich kommen ließ und ihn fragte, was er während den fünf Tagen vor dem Beginn seiner Arbeit gemacht hatte. Der Mönch antwortete: „Den ganzen ersten Tag verbrachte ich damit, jeden Gedanken an Versagen, an Furcht, an Bestrafung, falls meine Arbeit dem Kaiser missfallen sollte, loszulassen. Den ganzen zweiten Tag verbrachte ich damit, jeden Gedanken an Unangemessenheit und jeden Glauben, dass mir die Fertigkeiten fehlen würden, einen dem Kaiser würdigen Schrank zu fertigen, loszulassen. Den ganzen dritten Tag verbrachte ich damit, jede Hoffnung und jedes Verlangen nach Ruhm, Glanz und Belohnung, falls ich einen Schrank fertigen sollte, der dem Kaiser gefallen würde, loszulassen. Den ganzen vierten Tag verbrachte ich damit, den Stolz, der in mir wachsen könnte, falls ich in meiner Arbeit erfolgreich sein sollte und das Lob des Kaisers empfangen würde, loszulassen. Und den ganzen fünften Tag verbrachte ich damit, im Geist die klare Vorstellung dieses Schrankes zu betrachten, in der Gewissheit, dass sogar ein Kaiser ihn sich wünschte, so wie er jetzt vor Ihnen steht.“
Als Mamiya, der später ein berühmter Lehrer wurde, sich um persönliche Führung an einen Lehrer wandte, wurde ihm aufgetragen, den Ton einer Hand darzustellen. Mamiya konzentrierte sich darauf, was der Ton einer Hand sein könnte. „Du arbeitest nicht hart genug“ sagte sein Lehrer zu ihm. „Du bist zu sehr an das Essen, die Welt, die Dinge verhaftet, und diese sind es, die tönen. Es wäre besser, du würdest sterben. Dies würde das Problem lösen.“ Als Mamiya das nächste Mal vor seinem Lehrer erschien, wurde er wieder gefragt, was er hinsichtlich des Tones einer Hand vorzuweisen habe. Mamiya fiel vornüber, als wäre er tot. „Du bist also tot.“ stellte der Lehrer fest „Aber was ist mit diesem Ton?“ „Das habe ich noch nicht gelöst“ antwortete Mamiya und blickte auf. „Tote sprechen nicht“, sagte der Lehrer.
Yamaoka Tesshu, ein junger Schüler des Zen, besuchte einen Meister nach dem anderen. Er sprach auch bei Dokuon von Shokoku vor. Da er seine Errungenschaften zu zeigen wünschte, sagte er: „Der Geist, Buddha und die Lebewesen existieren letztlich nicht. Die wahre Natur der Erscheinungen ist Leere. Es gibt keine Verwirklichung, keine Täuschung, keine Weisheit, keine Mittelmäßigkeit. Es gibt kein Geben und nichts, was empfangen wird.“ Dokuon, der still vor sich hin rauchte, sagte nichts. Plötzlich schlug er mit seiner Bambuspfeife auf Yamaoka los. Das machte den jungen Mann recht wütend. „Wenn nichts existiert“, erkundigte sich Dokuon, „woher kommt dann dieser Zorn?“
Hyakujo, der chinesische Zen-Meister, pflegte sogar noch im Alter von achtzig Jahren mit seinen Schülern zu arbeiten, die Gärten zu pflegen, die Böden zu säubern und die Bäume zu beschneiden. Den Schülern tat es leid, den alten Lehrer so hart arbeiten zu sehen, aber sie wussten, dass er auf ihren Rat, er möge doch aufhören, nicht achten würde; also versteckten sie sein Arbeitsgerät. An diesem Tag aß der Meister nichts. Am nächsten Tag aß er nichts und ebenso wenig am darauffolgenden Tag. „Er ist vielleicht ärgerlich, weil wir sein Arbeitsgerät versteckt haben.“ vermuteten die Schüler. „Wir bringen es lieber wieder zurück.“ An dem Tag, als sie das taten, arbeitete und aß der Meister genauso wie zuvor. Am Abend erklärte er ihnen: „Ein Tag ohne Arbeit, ist ein Tag ohne Essen.“
Ein Zen-Meister namens Gettan lebte in der späten Tokugawa-Zeit. Er pflegte zu sagen: „Es gibt drei Arten von Schülern: solche, die Zen an andere weitergeben, solche, die für die Tempel und Schreine sorgen, und dann gibt es die Reisbeutel und Kleiderständer.“ Gasan gab demselben Gedanken Ausdruck, als er unter Tekisui studierte, war sein Lehrer sehr streng. Manchmal schlug er ihn sogar. Andere Schüler konnten diese Art von Behandlung nicht ertragen und gingen davon. Gasan blieb und sagte: „Ein armer Schüler benützt des Lehrers Einfluss. Ein braver Schüler bewundert die Güte eines Meisters. Ein guter Schüler wird stark unter der Disziplin eines Meisters.“
Shoichi war ein einäugiger Lehrer des Zen, der vor Erleuchtung strahlte. Er lehrte seine Schüler im TofukuTempel. Tag und Nacht befand sich der Tempel in Stille. Es gab weit und breit kein Geräusch. Sogar das Rezitieren der Sutras war vom Lehrer abgeschafft worden. Seine Schüler hatten nichts zu tun als zu meditieren. Als der Meister starb, hörte ein alter Nachbar das Klingeln von Glocken und das Rezitieren der Sutras. Da wusste er, dass Shoichi gestorben war.
Kasan wurde gebeten, die Totenmesse für einen hohen Beamten der Provinz zu halten. Er hatte niemals zuvor hohe Herren und Adlige getroffen, und so war er recht beunruhigt. Als die Zeremonie begann, schwitzte Kasan. Später, nachdem er heimgekehrt war, rief er seine Schüler zusammen. Kasan gestand, dass er sich noch nicht als Lehrer eigne, da er in der Welt der Namen jener Gleich- 66 heit in der Haltung verlustig gegangen war, die er innerhalb des abgeschlossenen Tempels besessen hatte. Dann legte Kasan sein Amt nieder und wurde der Schüler eines anderen Meisters. Acht Jahre später kehrte er erleuchtet zu seinen früheren Schülern zurück.
Ryokan widmete sein Leben dem Studium des Zen. Eines Tages hörte er, dass sein Neffe trotz der Ermahnungen der Verwandten sein Geld an eine Kurtisane verschwendete. Da der Neffe Ryokans Platz in der Familienverwaltung eingenommen hatte, waren Vermögen und Besitz der Familie in Gefahr, vergeudet zu werden, und so wandten sich die Verwandten an Ryokan, dass er etwas dagegen unternehmen möge. Ryokan musste weit reisen, um seinen Neffen zu besuchen, den er jahrelang nicht gesehen hatte. Der Neffe schien erfreut, seinen Onkel wiederzusehen, und lud ihn ein, über Nacht zu bleiben. Die ganze Nacht lang saß Ryokan in Meditation. Als er am Morgen abreiste, sagte er zu dem jungen Mann: „Ich scheine alt zu werden, meine Hände zittern so. Würdest du mir bitte helfen, die Riemen meiner Sandalen zu binden?“ Der Neffe half ihm bereitwillig. „Danke“, schloss Ryokan, „du siehst, man wird älter und kraftloser von Tag zu Tag. Gib gut auf dich Acht.“ Dann ging Ryokan, und mit keinem Wort erwähnte er die Kurtisane oder die Klagen der Verwandten. Aber seit diesem Morgen hatte das ausschweifende Leben des Neffen ein Ende.
Jeder wandernde Mönch konnte in einem bestimmten Zen-Tempel verweilen, wenn er mit denen, die im Tempel leben, eine Diskussion über den Buddhismus führt und gewinnt. Wird er besiegt, so muss er weiterziehen. In einem Tempel im nördlichen Teil Japans lebten zwei Mönchsbrüder miteinander. Der ältere war gelehrt, der jüngere dagegen war dumm, und er hatte nur ein Auge. Ein wandernder Mönch kam des Weges und bat um Unterkunft, indem er mit Anstand zu einer Debatte über die tiefe Lehre herausforderte. Der ältere Bruder, der müde war vom vielen Studieren, überließ dem jüngeren seinen Platz. „Geh und bitte darum, dass das Gespräch schweigend geführt wird“, riet er ihm vorsichtig. Also begaben sich der junge Mönch und der Fremdling zum Schrein und setzten sich nieder. Kurz darauf erhob sich der Reisende, ging zum älteren Bruder und sagte: „Dein jüngerer Bruder ist ein prächtiger Bursche. Er besiegte mich.“ „Berichte mir den Dialog“ sagte der Ältere. „Nun“, erklärte der Reisende, „zuerst hielt ich einen Finger hoch, der Buddha, den Erleuchteten, repräsentierte. Daraufhin hielt er zwei Finger hoch, was auf Buddha und seine Lehre deutete. Ich hielt drei Finger hoch, was so viel hieß wie Buddha, seine Lehre und seine Anhänger, die in Harmonie leben. Daraufhin stieß der mir seine geballte Faust ins Gesicht, womit er darauf hinwies, dass alle drei einer Verwirklichung entspringen. Somit gewann er, und ich habe nicht das Recht, hierzubleiben.“ Hiermit verließ der Reisende den Tempel. „Wo ist dieser Kerl?“ fragte der Jüngere, wobei er gegen seinen Bruder rannte. „Ich denke, du hast die Debatte gewonnen.“ „Nicht im mindesten. Ich werde ihn verprügeln!“ „Erzähle mir den Inhalt der Debatte“ sagte der Ältere. „Nun, kaum sah er mich, da hob er einen Finger und beleidigte mich, indem er darauf anspielte, dass ich nur ein Auge habe. Da er ein Fremder war, wollte ich höflich zu ihm sein, und so hielt ich zwei Finger hoch, womit ich ihn dazu beglückwünschte, dass er zwei Augen hatte. Daraufhin hielt der unhöfliche Lump drei Finger hoch, um zu verstehen zu geben, dass wir zusammen nur drei Augen hätten. Da wurde ich wütend und schlug ihn, aber er rannte hinaus, und damit endete es.“
Der Zen-Meister Hakuin wurde von seinen Nachbarn als einer, der ein reines Leben führte, gepriesen. Ein schönes japanisches Mädchen, dessen Eltern ein Lebensmittelgeschäft besaßen, wohnte in seiner Nähe. Da entdeckten die Eltern plötzlich, dass sie schwanger war. Das machte die Eltern sehr böse. Sie wollte nicht gestehen, wer der Mann war, aber nach langem Drängen nannte sie schließlich Hakuin. In großem Ärger gingen die Eltern zum Meister. "So?" war alles, was er zu sagen hatte. Nachdem das Kind geboren war, brachte man es zu Hakuin. Er hatte seinen guten Ruf verloren, was ihm jedoch keine Sorgen machte, und er kümmerte sich in bester Weise um das Kind. Von seinen Nachbarn erhielt er Milch und alles andere, was das Kleine benötigte. Ein Jahr später konnte die junge Mutter es nicht länger aushalten. Sie erzählte ihren Eltern die Wahrheit, dass der echte Vater ein junger Mann sei, der auf dem Fischmarkt arbeitete. Die Mutter und der Vater des Mädchens gingen wieder zu Hakuin und baten ihn um Verzeihung; sie entschuldigten sich des lang und breit und wollten das Kind wieder mitnehmen. Hakuin war einverstanden. Während er das Kind übergab, war alles, was er sagte: "So?"
Zwanzig Mönche und eine Nonne, die Eshun hieß, übten die Meditation bei einem bestimmten Zen-Meister. Eshun war sehr hübsch, obwohl ihr Kopf geschoren und ihr Gewand einfach war. Mehrere Mönche verliebten sich heimlich in sie. Einer von ihnen schrieb ihr einen Liebesbrief und bat um ein Stelldichein. Eshun antwortete nicht. Am folgenden Tag gab der Meister der Gruppe eine Unterweisung, und nachdem diese vorüber war, erhob sich Eshun. Sie wandte sich an den Absender des Briefes und sagte: "Wenn du mich wirklich so sehr liebst, so komm und umarme mich jetzt."
Ein Schüler fragte Zen-Meister Philip Kapleau. „Was kann ein Zen-Meister mir geben?“ Kapleau antwortete: „Er kann dir nichts geben, was du nicht schon hast, aber er kann dir vieles nehmen, was deiner wahren Natur fremd ist.“
Einmal lebte ein großer Krieger. Obwohl er schon etwas in die Jahre gekommen war, konnte er dennoch jeden Herausforderer besiegen. Dies war überall im Land bekannt, und viele Schüler hatten sich bei ihm eingefunden. Eines Tages kam ein junger Schwertkämpfer von zweifelhaftem Ruf ins Dorf. Er war fest entschlossen, der erste zu sein, der den großen Meister bezwingen würde. Neben seiner Stärke besaß er die abschreckende Fähigkeit, jede Schwäche seines Gegners zu erkennen und auszunutzen. Er würde den ersten Schlag seines Gegners abwarten, und sobald dieser sich eine Blöße gab, ihm mit gnadenloser Kraft und blitzartiger Schnelligkeit einen Stoß versetzen. Bisher war noch keiner bei einem Duell mit ihm über den ersten Schlag hinausgekommen. Ohne auf den Rat seiner besorgten Schüler zu hören, akzeptierte der alte Meister die Herausforderung zum Kampf. Als die beiden in Stellung gingen, begann der junge Krieger dem Meister wüste Beschimpfungen an den Kopf zu werfen. Er schmiss Dreck und spuckte ihm ins Gesicht. Stundenlang ereiferte er sich an den schlimmsten Flüchen und Beleidigungen, die damals der Menschheit bekannt waren. Doch der Meister stand einfach bewegungslos und ruhig da. Schließlich hatte sich der junge Krieger verausgabt. Er sah ein, dass er geschlagen war, und zog beschämt von dannen. Etwas enttäuscht darüber, dass ihr Meister den überheblichen Herausforderer nicht zurechtgewiesen hatte, versammelten sich seine Schüler um ihn und baten um eine Erklärung. „Wie konntet Ihr solch eine Schmach über Euch ergehen lassen? Wie kam es, dass er ohne zu kämpfen von dannen zog?” „Wenn jemand kommt um dir ein Geschenk zu geben und du nimmst es nicht an”, antwortete der Meister, “wem gehört dann das Geschenk?”
Zur damaligen Zeit gab es ein Kloster, das sehr streng war. Jeder musste ein Schweigegelübde ablegen, keinem war es erlaubt zu sprechen. Nur eine Ausnahme gab es in dieser Regel. Alle zehn Jahre wurde es den Mönchen gestattet, zwei Worte zu äußern. Nachdem ein Mönch seine ersten zehn Jahre in diesem Kloster verbracht hatte, ging er zu seinem Vorsteher. „Es sind jetzt zehn Jahre vergangen”, sagte dieser. „Was sind die beiden Worte, die du sagen möchtest?” „Bett... hart...”, sagte der Mönch. „Ich verstehe”, antwortete der Vorsteher. Zehn Jahre später, trat der Mönch erneut in das Zimmer seines Vorstehers. „Zehn weitere Jahre sind vergangen”, sagte dieser. „Was sind die beiden Worte, die du äußern möchtest?” „Essen... stinkt...”, sagte der Mönch. „Ich verstehe”, war die Antwort. Nochmals zehn Jahre gingen vorüber, und wieder traf sich der Mönch mit seinem Vorsteher, der ihn fragte: „Was sind nun deine beiden Worte, nach diesen zehn Jahren?” „Ich... gehe!”, sagte der Mönch. “Nun, ich kann mir schon denken warum”, antwortete der Vorsteher. „Alles was du tust, ist dich zu beschweren.”
Der Ex-Kaiser sagte: „Gudo, was geschieht dem Mann der Erleuchtung und dem Mann der Illusion nach dem Tode?“ Meister Gudo antwortete: „Wie sollte ich das wissen, mein Herr?“ Der Ex-Kaiser: „Nun, du bist doch ein Meister!“ Gudo sagte erstaunt: „Ja, aber kein toter!“
Ein junger Arzt in Tokio namens Kusuda traf einen Studienkameraden, der Zen studierte. Der junge Doktor fragte ihn, was Zen sei. „Ich kann dir nicht sagen, was es ist“, antwortete der Freund, „aber eines ist sicher: wenn du Zen verstehst, hast du keine Angst vor dem Sterben mehr.“ „Das ist gut“, sagte Kusuda. „Ich will es versuchen. Wo kann ich einen Lehrer finden?“ „Geh zu Meister Nan-in“, sagte der Freund. Also ging Kusuda zu Nan-in. Er nahm einen langen Dolch mit sich, um festzustellen, ob der Lehrer Angst vor dem Sterben hatte oder nicht. Als Nan-in Kusuda erblickte, rief er: „Hallo, Freund. Wie geht es dir? Wir haben uns lange nicht gesehen!“ Das verblüffte Kusuda und er antwortete: „Wir sind uns noch niemals zuvor begegnet.“ „Das stimmt“, antwortete Nan-in. „Ich verwechselte dich mit einem anderen Arzt, der hier Unterricht erhält.“ Mit diesem 73 Beginn hatte Kusuda die Gelegenheit verpasst, den Meister zu prüfen, und so fragte er widerwillig, ob er Zen-Unterricht erhalten könne. Nan-in sagte: „Zen ist keine schwierige Aufgabe. Wenn du ein Arzt bist, so behandel deine Patienten mit Güte. Das ist Zen.“ Kusuda besuchte Nan-in dreimal. Jedes Mal sagte ihm Nan-in dasselbe. „Ein Arzt sollte nicht seine Zeit hier vergeuden. Geh' heim und kümmere dich um deine Patienten.“ Kusuda leuchtete nicht ein, wie solch eine Lehre die Angst vor dem Sterben beseitigen sollte. So beklagte er sich beim vierten Besuch: „Mein Freund sagte mir, dass man, wenn man Zen erlernt, die Furcht vor dem Tode verliert. Jedes Mal, wenn ich hierher komme, ist alles, was Sie mir sagen, ich solle mich um meine Patienten kümmern. So viel weiß ich selbst auch. Wenn dies das sogenannte Zen ist, so will ich Sie nicht weiterhin besuchen.“ Nan-in lächelte und tätschelte den Doktor. „Ich war zu streng mit dir. Ich will dir ein Koan geben.“ Er bot Kusuda Joshus „Mu“ als Aufgabe, das erste der Geist erleuchtenden Rätsel aus dem Buch „Das torlose Tor“. Kusuda grübelte über diesem Problem des Mu (Nichts) zwei Jahre lang. Endlich dachte er, er habe die Gewissheit des Geistes erlangt. Aber sein Lehrer stellte fest: „Du bist noch nicht drin.“ Kusuda setzte seine Übung der Konzentration weitere anderthalb Jahre lang fort. Sein Geist wurde gelassen. Die Probleme lösten sich auf. Nichts wurde Wirklichkeit. Er diente seinen Patienten aufs beste, und ohne es zu wissen, war er frei von Beunruhigung um Leben und Tod. Als er Nan-in wieder besuchte, lächelte sein alter Lehrer nur.
In Tokio lebten in der Meiji-Zeit zwei berühmte Lehrer von unterschiedlichem Charakter. Der eine, Unsho, ein Shingon-Lehrer, hielt die Regeln des Buddha peinlich genau ein. Er trank niemals berauschende Getränke, noch aß er nach elf Uhr morgens. Der andere Lehrer, Tanzan, ein Professor der Philosophie an der Kaiserlichen Universität, beachtete diese Regeln nie. Wenn er Lust hatte, zu essen, so aß er, und wenn er Lust hatte, tagsüber zu schlafen, so schlief er. Eines Tages besuchte Unsho den Tanzan, der gerade Wein trank, von dem eigentlich kein Tropfen die Lippen eines Buddhisten berühren sollte. „Hallo, Bruder“, begrüßte ihn Tanzan, „möchtest du nicht einen Schluck trinken?“ „Ich trinke niemals“, erklärte Unsho feierlich. „Wer nicht trinkt, ist kein Mensch“, sagte Tanzan. „Glaubst du, du kannst mich unmenschlich nennen, nur weil ich nicht berauschenden Getränken fröne?“ ereiferte sich Unsho ärgerlich. „Wenn ich nicht menschlich bin, was bin ich denn dann?“ „Ein Buddha“, antwortete Tanzan.
Gudo war der Lehrer des Kaisers seiner Zeit. Trotzdem pflegte er allein als wandernder Bettelmönch umherzureisen. Als er sich einst auf dem Weg nach Edo befand, dem kulturellen und politischen Zentrum der Shogun Herrschaft, näherte er sich einem kleinen Dorf namens Takenaka. Es war Abend, und ein heftiger Regen stürzte hernieder. Gudo war durch und durch nass. Seine Strohsandalen waren aufgelöst. Im Fenster eines Bauernhofes nahe dem Dorf erblickte er vier oder fünf Paar Sandalen und beschloss, sich trockene zu kaufen. Die Frau, die ihm die Sandalen vorlegte, sah, wie naß er war, und lud ihn ein, über Nacht in ihrem Hause zu bleiben. Gudo nahm die Einladung an und bedankte sich. Er trat ein und rezitierte ein Sutra vor dem Familienschrein. Daraufhin wurde er der Mutter und den Kindern der Frau vorgestellt. Er bemerkte, dass die ganze Familie sehr bedrückt war, und fragte nach dem Grund. „Mein Mann ist ein Spieler und Trunkenbold“, erzählte ihm die Frau. „Wenn er gewinnt, so trinkt er und wird unflätig. Wenn er verliert, so leiht er Geld von den anderen. Manchmal, wenn er sich völlig betrunken hat, kommt er nicht einmal nach Hause. Was kann ich nur tun?“ „Ich will ihm helfen“, sagte Gudo. „Hier ist etwas Geld. Beschaffe mir eine Gallone guten Weines und etwas Feines zu essen. Dann kannst du dich für die Nacht zurückziehen. Ich werde vor dem Schrein meditieren.“ Als der Hausherr um Mitternacht recht betrunken heimkehrte, brüllte er: „He, Frau, ich bin wieder da! Hast du was zu essen für mich?“ „Ich habe etwas für dich“, sagte Gudo. „Ich wurde vom Regen überrascht, und deine Frau war so freundlich, mich für diese Nacht aufzunehmen. Als Gegengabe habe ich etwas Wein und Fisch gekauft, also kannst auch du davon haben.“ Der Mann war entzückt. Er trank den Wein auf einmal aus und legte sich auf den Boden nieder. Gudo setzte sich in Meditation neben ihn. Am Morgen, als der Hausherr erwachte, hatte er die Geschehnisse der vergangenen Nacht vergessen. „Wer bist du? Wo kommst du her?“ fragte er Gudo, der immer noch meditierte. „Ich bin Gudo aus Kioto, und ich bin auf dem Weg nach Edo“, antwortete der Zen-Meister. Der Mann war äußerst beschämt. Überschwänglich entschuldigte er sich bei dem Lehrer seines Kaisers. Gudo lächelte „Alles in diesem Leben ist vergänglich“, erklärte er. „Das Leben ist sehr kurz. Wenn du weiterhin spielst und trinkst, wirst du keine Zeit übrig haben, um irgendetwas anderes zu vollbringen, und du wirst deine Familie zwingen, ebenfalls zu leiden.“ Das Bewusstsein des Hausherrn erwachte wie aus einem Traum. „Wie kann ich Euch diese wunderbare Belehrung jemals vergelten? Lasst mich Euch begleiten und Eure Sachen ein Stück weit für Euch tragen.“ „Wenn du willst“, stimmte Gudo zu. Die beiden brachen auf. Nachdem sie drei Meilen gegangen waren, sagte Gudo zu dem Mann, er solle zurückkehren. „Nur noch fünf Meilen“, bat dieser. Sie gingen weiter. „Du solltest jetzt zurückkehren“, schlug Gudo vor. „Noch zehn Meilen“, antwortete der Mann. „Geh jetzt zurück“, sagte Gudo, nachdem sie die zehn Meilen zurückgelegt hatten. „Ich will dir für den ganzen Rest meines Lebens folgen“, erklärte der Mann. Moderne Zen-Lehrer in Japan entstammen der Linie eines berühmten Meisters, der Gudos Nachfolger war. Sein Name war Mu-nan, der Mann, der nie mehr zurückkehrte.
Der Zen-Meister Hoshin lebte viele Jahre in China. Dann kehrte er in den nordöstlichen Teil Japans zurück, wo er seine Schüler unterrichtete. Als er sehr alt geworden war, erzählte er ihnen eine Geschichte, die er in China gehört hatte. Dies ist die Geschichte: Eines Jahres, am 25. Dezember, sagte Tokufu, der sehr alt war, zu seinen Schülern: „Ich werde nächstes Jahr nicht mehr am Leben sein. Darum solltet ihr Jungen mich dieses Jahr gut behandeln.“ Die Schüler dachten, er scherze, aber da er ein großherziger Lehrer war, gab einer nach dem anderen an jedem Tag bis zum Jahresende ein Fest. Am Vorabend des Neuen Jahres stellte Tokufu fest: „Ihr wart gut zu mir. Ich werde euch morgen Nachmittag verlassen, wenn es aufgehört hat zu schneien.“ Die Schüler lachten und dachten, er sei alt geworden und rede Unsinn, denn die Nacht war klar und schneefrei. Aber um Mitternacht begann der Schnee zu fallen, und am nächsten Tag konnten sie ihren Lehrer nicht finden. Sie gingen in die Meditationshalle. Dort war er von ihnen gegangen. Hoshin, der diese Geschichte erzählt hatte, sagte zu seinen Schülern: „Es ist für einen Zen-Meister nicht nötig, sein Sterben vorauszusagen, aber wenn er wirklich will, so kann er es.“ „Könnt Ihr es?“ fragte ihn jemand. „Ja“ antwortete Hoshin. „In sieben Tagen will ich zeigen, was ich kann.“ Keiner der Schüler glaubte ihm, und die meisten hatten das Gespräch schon vergessen, als Hoshin sie ein nächstes Mal zusammenrief. „Vor sieben Tagen“, stellte er fest, „sagte ich, dass ich euch verlassen würde. Es ist Sitte, ein Abschiedsgedicht zu schreiben, aber ich bin weder ein Dichter noch einer, der die Kalligraphie beherrscht. Einer von euch möge meine letzten Worte aufzeichnen.“ Seine Anhänger dachten, er scherze, aber einer von ihnen machte sich bereit, zu schreiben. „Bist du fertig?“ fragte Hoshin. „Jawohl“, antwortete der Schreiber. Und Hoshin diktierte: „Ich komme aus dem Glanz und kehre in den Glanz zurück. Was ist das?“ Das Gedicht war um eine Zeile zu kurz, da es der Tradition nach vier Zeilen haben musste. Also sagte der Schüler: „Meister, uns fehlt eine Zeile.“ Hoshin schrie mit dem Gebrüll eines siegreichen Löwen „Kaa!“ und verschied.
Ein junger Mann, der eine bittere Enttäuschung in seinem Leben erlitten hatte, begab sich zu einem entlegenen Kloster und sagte zum Abt: "Ich bin vom Leben enttäuscht und möchte die Erleuchtung erlangen, um von diesen Leiden befreit zu sein. Aber ich habe keine Begabung, etwas lange durchzuhalten. Ich konnte niemals lange Jahre der Meditation und der Studien und strengen Lebensführung durchmachen; ich würde wieder in die Welt zurückgezogen werden, obwohl ich weiß, wie schmerzlich das ist. Gibt es einen kurzen Weg für Leute wie mich?" "Es gibt einen", sagte der Abt, "wenn du wirklich entschlossen bist. Sage mir, was hast du studiert, worauf hast du dich in deinem Leben am meisten konzentriert?" "Hm, auf nichts so richtig. Wir waren reich, und ich brauchte nicht zu arbeiten. Ich glaube, was mich wirklich interessierte, war das Schachspiel. Damit verbrachte ich die meiste Zeit." Der Abt dachte einen Moment nach und sagte dann zu seinem Assistenten: "Hole den Mönch soundso, und er soll ein Schachbrett und Figuren mitbringen." Der Mönch kam mit dem Brett, und der Abt stellte die Figuren auf. Dann ließ er sein Schwert bringen und zeigte es den beiden. ,,O Mönch", sagte er, "du hast mir als deinem Abt Gehorsam gelobt, und nun fordere ich ihn von dir. Du wirst mit diesem jungen Mann eine Partie Schach spielen, und wenn du verlierst, werde ich dir mit diesem Schwert den Kopf abschlagen. Doch ich verspreche, dass du im Paradies wiedergeboren werden wirst. Wenn du gewinnst, werde ich diesem Mann den Kopf abschlagen, denn Schach ist das einzige, wobei er sich jemals wirklich angestrengt hat, und wenn er verliert, verdient auch er den Verlust seines Kopfes." Sie sahen dem Abt ins Gesicht und verstanden, dass es ihm ernst war. Dem Verlierer würde er den Kopf abschlagen. Sie begannen das Spiel. Bei den Eröffnungszügen spürte der junge Mann, wie ihm der Schweiß bis zu den Fersen hinunter tropfte, als er um sein Leben spielte. Das Schachbrett wurde zur ganzen Welt; er war völlig darauf konzentriert. Zuerst war es eher schlecht um ihn bestellt, doch dann machte der andere einen schlechten Zug, und er ergriff die Gelegenheit, einen starken Angriff zu lancieren. Wie die Stellung seines Gegners zerbröckelte, sah er ihn verstohlen an. Er sah ein Gesicht aus Intelligenz und Aufrichtigkeit, geprägt von Jahren strengen Lebens und Bemühens. Er dachte an sein eigenes wertloses Leben, und ihn überkam eine Welle des Mitgefühls. Absichtlich beging er einen Fehler und dann noch einen, die seine Stellung ruinierten und ihn seiner Verteidigung beraubten. Plötzlich beugte sich der Abt vor und stieß das Brett um. Die beiden Gegenspieler waren verstört. "Hier gibt es keinen Gewinner und keinen Verlierer", sagte der Abt langsam, "hier kann kein Kopf fallen. Nur zwei Dinge sind erforderlich", und er wandte sich an den jungen Mann, " völlige Konzentration und Mitgefühl. Du hast heute beides gelernt. Du warst völlig auf das Spiel konzentriert und konntest doch Mitgefühl empfinden und warst bereit, dein Leben zu opfern. Bleibe nun einige Monate hier und verfolge unsere Ausbildung in diesem Geiste, dann ist dir die Erleuchtung gewiss." Er tat es und erlangte sie.
Ein junger Novize, der eben ins Kloster aufgenommen worden war, sagte zu Zen-Meister Joshu: „Ich bin neu im Kloster, bitte zeigt mir den Weg.“ Joshu fragte: „Hast Du schon gefrühstückt?“ Der Novize antwortete: „Ja, ich habe mein Frühstück bereits beendet.“ Joshu sagte: „Dann geh und wasch Deine Essschalen.“
Ein Zen-Meister wurde von einem jungen Schüler gefragt: „Was ist Erleuchtung?“ Der Meister fragte: „Wer will das wissen?“ „Ich, ich möchte das wissen!“ sagte der Schüler. „Du, aber Du bist niemand. Du bist nichts. Du existierst gar nicht!“ sagte der Zen-Meister und hatte seinem Schüler damit seine erste Frage beantwortet.
Die Reden des Meisters Bankei fanden nicht nur bei ZenSchülern, sondern auch bei Leuten aller Ränge und Sekten große Beachtung. Niemals zitierte er Sutras oder schwelgte in gelehrten Dissertationen. Stattdessen sprach er seine Worte direkt aus seinem Herzen zu den Herzen seiner Zuhörer. Diese große Zuhörerschaft ärgerte einen Priester der Nichiren-Sekte, weil seine Anhänger ihn verlassen hatten, um von Zen zu hören. Der selbstsüchtige Nichiren-Priester ging in den Tempel, entschlossen, sich mit Bankei auseinanderzusetzen. "He, Zen-Lehrer!" schrie er. "Warte eine Minute. Wer dich achtet, soll sich deinem Wort unterwerfen, aber ein Mann wie ich achtet dich nicht. Kannst du mich dazu bringen, dir zu gehorchen?" "Komm her zu mir, und ich will es dir zeigen", sagte Bankei. Stolz bahnte sich der Priester einen Weg durch die Menge zu dem Zen-Lehrer. Bankei lächelte. "Komm an meine linke Seite." Der Priester gehorchte. "Nein", sagte Bankei, "wir können wohl besser reden, wenn du auf der rechten Seite bist. Geh hier herüber." Der Priester trat stolz auf die rechte Seite hinüber. "Du siehst", bemerkte Bankei, "du gehorchst mir, und ich glaube, dass du ein sehr liebenswürdiger Mensch bist. Nun setz dich und höre zu."
Juin, ein Shingon-Meister, war ein berühmter Sanskrit Gelehrter der Tokugawa-Zeit. Als er jung war, pflegte er seinen Mitstudenten Unterricht zu geben. Seine Mutter hörte davon und schrieb ihm einen Brief: "Sohn, ich glaube nicht, dass Du ein liebender Verehrer des Buddha wirst, da es Dich danach verlangte, ein lebendes Lexikon für andere zu sein. Es gibt kein Ende der Informationen und der Kommentare, des Ruhmes und der Ehre. Ich wollte, Du würdest mit diesem Unterrichtsgeschäft aufhören. Schließ Dich in einen kleinen Tempel an einem abgelegenen Ort in den Bergen ein. Widme deine Zeit der Meditation und erlange auf diesem Weg die wahre Verwirklichung."
Ein Universitätsstudent, der Gasan besuchte, fragte ihn: "Haben Sie jemals die christliche Bibel gelesen?" "Nein, lies sie mir vor", sagte Gasan. Der Student öffnete die Bibel und las aus dem Matthäus-Evangelium: "Und warum sorgt ihr euch um Kleidung? Betrachtet die Lilien auf dem Felde, wie sie wachsen; sie arbeiten nicht und spinnen nicht, und doch sage ich euch: Selbst Salomon in all seiner Pracht war nicht gekleidet wie eine von ihnen. Sorgt euch darum nicht ängstlich um den morgigen Tag, denn der morgige Tag wird für sich selbst sorgen." Gasan sagte: "Wer solche Worte aussprach, ist meiner Meinung nach ein erleuchteter Mensch." Der Student fuhr fort zu lesen: "Bittet, und es wird euch gegeben werden; suchet, und ihr werdet finden, klopfet an, und es wird euch aufgetan werden. Denn wer bittet, empfängt; wer suchet, der findet; wer anklopft, dem wird aufgetan werden." Gasan bemerkte: "Das ist ausgezeichnet. Wer das sagte, ist nicht fern der Buddhaschaft."
Ryokan, ein Zen-Meister, führte das allereinfachste Leben in einer kleinen Hütte am Fuß eines Berges. Eines Abends durchwühlte ein Dieb die Hütte, musste jedoch feststellen, dass nichts zum Stehlen da war. Ryokan kam nach Hause zurück und ertappte ihn. "Du bist wohl einen langen Weg gegangen, um mich zu besuchen", sagte er zu dem Vagabunden, "und du sollst nicht mit leeren Händen weggehen. Bitte, nimm meine Kleider als Geschenk." Der Dieb war verblüfft. Er nahm die Kleider und machte sich davon. Ryokan saß nackt da und betrachtete den Mond. "Armer Kerl", murmelte er, "ich wollte, ich könnte ihm diesen wunderschönen Mond geben."
Der alte Mönch sitzt am See mit einer Angel. Ein Novize kommt hinzu und fragt, was er dort fangen will. Es entwickelt sich ein langes Gespräch über Religion und den richtigen Weg, über Anstrengungen und Leiden, über Freuden und unverhofftes Glück. Nach zwei Stunden bittet der Novize den alten Mönch, doch einmal die Angel herauszuziehen, um zu sehen, ob etwas angebissen hat. Er tut es, und am Ende der Schnur zeigt sich ein gerade gebogener Angelhaken.
In den frühen Tagen der Meiji-Zeit lebte ein bekannter Ringer namens 0-nami, Große Wellen. 0-nami war ungeheuer stark, und er beherrschte die Kunst des Ringens. In seinen privaten Kämpfen schlug er sogar seinen Lehrer, aber in der Öffentlichkeit war er so schüchtern, dass seine eigenen Schüler ihn besiegten. 0- nami fühlte, dass er sich an einen Zen-Meister um Hilfe wenden müsse. Hakuju, ein wandernder Lehrer, hatte in einem nahen Tempel Rast gemacht, um ihn zu treffen und ihm seinen Kummer vorzutragen. "Große Wellen ist dein Name", sagte der Lehrer. "Bleib heute Nacht in diesem Tempel. Stelle dir vor, dass du diese Wellen bist. Du bist nicht länger ein Ringer, der sich fürchtet. Du bist diese mächtigen Wogen, die alles vor sich herwälzen, die alles verschlingen, was sich in ihrem Weg befindet. Tu das, und du wirst der größte Ringer im Lande sein." Der Lehrer zog sich zurück. 0-nami setzte sich zur Meditation nieder und versuchte, sich selbst als Wogen zu fühlen. Er dachte an viele verschiedene Dinge. Dann verwandelte sich sein Gefühl stufenweise mehr und mehr in das von Wogen. Als die Nacht voranschritt, wurden die Wogen höher und höher. Sie schwemmten die Blumen aus ihren Vasen. Sogar der Buddha im Schrein wurde überflutet. Bevor die Dämmerung kam, war der Tempel nichts anderes mehr als die Ebbe und Flut eines ungeheuren Meeres. Am Morgen fand der Lehrer 0-nami in Meditation, mit einem zaghaften Lächeln auf dem Gesicht. Er schlug dem Ringer auf die Schulter. "Jetzt kann dich nichts mehr erschüttern", sagte er. "Du bist diese Wellen. Du wirst alles vor dir herwälzen." Am selben Tag nahm 0-nami an einem Ringer-Wettstreit teil und gewann. Danach war keiner mehr in Japan in der Lage, ihn zu besiegen.
Wenn man zum Obaku-Tempel in Kioto geht, so sieht man über dem Tor die Worte eingraviert: "Der erste Ursprung". Die Zeichen sind ungewöhnlich groß, und jene, die etwas von Kalligraphie verstehen, bewundern sie als ein Meisterwerk. Sie wurden von Kosen vor zweihundert Jahren gemalt. Der Meister schrieb sie auf Papier, und Handwerker stellten eine größere Holzschnitzerei davon her. Als Kosen die Zeichen entwarf, befand sich ein vorlauter Schüler bei ihm, der mehrere Liter Tinte für die Kalligraphie hergestellt hatte und es nie versäumte, seines Meisters Arbeit zu kritisieren. "Das ist nicht gut", sagte er zu Kosen nach dem ersten Versuch. "Und wie ist dieses hier?" "Armselig. Schlechter als das vorige", verkündete der Schüler. Kosen beschrieb geduldig ein Blatt nach dem anderen, bis sich vierundachtzig „Erste Ursprünge“ angesammelt hatten, noch immer ohne den Beifall des Schülers. Als der junge Mann für einige Augenblicke hinausging, dachte Kosen: "Das ist meine Chance, seinen scharfen Augen zu entgehen", und er schrieb eilig und mit einem Geist, der frei war von Ablenkung: "Der erste Ursprung". "Ein Meisterwerk", erklärte der Schüler.
Shoun wurde ein Lehrer des Soto-Zen. Als er noch ein Zen-Schüler war, starb sein Vater und hinterließ ihm die Sorge für seine alte Mutter. Wann immer Shoun in die Meditationshalle ging, nahm er seine Mutter mit. Begleitete sie ihn jedoch, wenn er Klöster besuchte, so konnte er nicht mit den Mönchen leben. So wollte er eine kleine Hütte bauen und dort für sie sorgen. Er kopierte Sutras, buddhistische Verse, und erhielt auf diese Weise ein wenig Geld für Nahrungsmittel. Wenn Shoun für seine Mutter Fisch einkaufte, so verhöhnten ihn die Leute, denn ein Mönch darf keinen Fisch essen. Aber Shoun machte sich nichts daraus. Seine Mutter jedoch schmerzte es, wenn sie die anderen über ihren Sohn lachen sah. Schließlich sagte sie zu Shoun: "Ich denke, ich werde eine Nonne. Ich kann auch Vegetarier sein." So tat sie, und sie lernten gemeinsam. Shoun liebte die Musik und war ein Meister der Harfe, die auch seine Mutter spielte. An Vollmondnächten pflegten sie gemeinsam zu spielen. Eines Nachts kam eine junge Dame am Haus vorbei und hörte die Musik. Zutiefst berührt lud sie Shoun ein, sie am nächsten Abend zu besuchen und zu spielen. Er nahm die Einladung an. Einige Tage später traf er die junge Dame auf der Straße und dankte ihr für ihre Gastfreundschaft. Die anderen lachten über ihn. Er hatte das Haus eines Straßenmädchens besucht. Eines Tages reiste Shoun zu einem entfernten Tempel, um dort zu unterrichten. Einige Monate später kehrte er nach Hause zurück und fand seine Mutter nicht mehr am Leben. Seine Freunde hatten nicht gewusst, wo er zu erreichen war, und so wurde die Bestattung eben vollzogen. Shoun ging ins Haus und schlug mit seinem Stab an den Sarg. "Mutter, dein Sohn ist wieder da", sagte er. "Ich freue mich, dass du wieder da bist, Sohn", antwortete er für seine Mutter. "Ja, ich freue mich auch", erwiderte Shoun. Dann wandte er sich an die Leute um ihn herum. "Die Bestattungszeremonie ist vorüber. Ihr könnt den Körper verbrennen." Als Shoun alt war, wusste er, dass sein Ende sich näherte. Er bat seine Schüler, sich am Morgen um ihn zu versammeln und erklärte ihnen, dass er am Mittag von ihnen gehen würde. Er verbrannte Weihrauch vor den Bildern seiner Mutter und seines alten Lehrers und schrieb ein Gedicht: „Sechsundfünfzig Jahre lang lebte ich, so gut ich konnte, und ging meinen Weg durch diese Welt. Nun hat der Regen aufgehört, die Wolken lichten sich, der blaue Himmel hat einen vollen Mond.“ Die Schüler scharten sich um ihn und rezitierten ein Sutra, und Shoun verschied während der Anrufung.
Die edle Shunkai, deren anderer Name Suzu war, wurde gezwungen, wider ihre eigenen Wünsche zu heiraten, als sie noch sehr jung war. Später, nachdem diese Ehe zu Ende war, besuchte sie die Universität und studierte Philosophie. Shunkai sehen, hieß, sich in sie verlieben. Mehr noch wohin sie auch ging, verliebte sie sich selbst auch in andere. Die Liebe war an ihrer Seite auf der Universität, und später, als die Philosophie sie nicht mehr befriedigte und sie einen Tempel aufsuchte, um Zen zu erlernen, verliebten sich die Zen-Schüler in sie. Shunkais ganzes Leben war durchtränkt von Liebe. In Kioto schließlich wurde sie eine echte Zen-Schülerin. Ihre Brüder im Unter-Tempel von Kennin priesen ihre Ernsthaftigkeit. Einer von ihnen erwies sich als verwandter Geist und stand ihr bei im Erlernen des Zen. Der Abt von Kennin, Mokurai, Stiller Donner, war streng. Er hielt selbst die Regeln ein und erwartete dasselbe auch von seinen Priestern. Im modernen Japan scheint es so zu sein, daß der Eifer, den die Priester für den Buddhismus verloren haben, von ihnen dafür eingesetzt wird, Frauen zu bekommen. Mokurai pflegte einen Besen zu nehmen und die Frauen davonzujagen, wenn er sie in einem seiner Tempel fand, doch je mehr Frauen er hinaus fegte, um so mehr schienen zurückzukommen. In diesem speziellen Tempel nun wurde die Frau des Oberpriesters eifersüchtig auf Shunkais Ernsthaftigkeit und Schönheit. Als sie hörte, wie die Schüler ihr aufrichtiges Bemühen um Zen lobten, verursachte das der Frau Krämpfe und Juckreiz. Schließlich verbreitete sie ein Gerücht über Shunkai und den jungen Mann, der ihr Freund war. Als Folge davon wurde er hinausgeworfen und auch Shunkai aus dem Tempel entfernt. "Ich beging den Fehler der Liebe", dachte Shunkai, "aber die Frau des Priesters wird nicht im Tempel bleiben, nachdem mein Freund so ungerecht behandelt wurde." In derselben Nacht legte Shunkai mit einer Kanne Kerosin Feuer an den fünfhundert Jahre alten Tempel und brannte ihn nieder bis auf den Grund. Am Morgen befand sie sich in den Händen der Polizei. Ein junger Rechtsanwalt interessierte sich für sie und bemühte sich, ein leichteres Urteil für sie zu erwirken. "Hilf mir nicht", sagte sie zu ihm. "Ich würde ja doch nur etwas tun, was mich wieder ins Gefängnis brächte." Schließlich verbüßte sie eine Strafe von sieben Jahren, und dann wurde Shunkai aus dem Gefängnis entlassen, wo der sechzigjährige Aufseher ebenfalls von ihr bezaubert worden war. Doch nun sah jedermann auf sie herab als auf eine, die "gesessen" hat. Niemand wollte etwas mit ihr zu tun haben. Sogar die Zen-Leute, die doch angeblich an die Erleuchtung in diesem Leben und mit diesem Körper glauben, mieden sie. Zen, so stellte Shunkai fest, und die Anhänger des Zen waren zwei verschiedene Dinge. Ihre Verwandten wollten nichts mehr von ihr wissen. Sie wurde krank, arm und schwach. Sie begegnete einem Shinshu-Priester, der ihr den Namen des Buddha der Liebe beibrachte/ und darin fand Shunkai einigen Trost und Frieden des Gemüts. Sie starb, als sie noch außerordentlich schön und kaum dreißig Jahre alt war. Sie schrieb ihre eigene Geschichte in dem nutzlosen Bestreben, für sich selbst zu sorgen, und einiges davon erzählte sie einer Schriftstellerin. Auf diese Weise erreichte sie das japanische Volk. Jene, die sie zurückgewiesen haben, die sie verleumdeten und hassten, lesen jetzt von ihrem Leben mit Tränen der Reue.
Eines Tages gingen drei Jäger durch einen dunklen Wald. Unterwegs entdeckten sie eine Höhle. Im Halbdunkel kniete ein Einsiedler auf dem Boden. Sein Gesicht strahlte vor Glückseligkeit. Die Jäger begrüßten ihn: „Guten Abend, Bruder. Wir wünschten, es ginge uns so gut wie dir. Du siehst so glücklich aus.“ „Ich bin immer glücklich!“ „In dieser dunklen einsamen Hütte tust du Buße und bist auch noch glücklich? Uns fehlt es an nichts, aber wir sind nicht glücklich. Was ist dein Geheimnis?“ „Das Geheimnis meines Glücks ist hier“, antwortete der Einsiedler und winkte die Jäger zu einem kleinen Loch in der Höhlenwand. „Schaut es euch an!“ Die Jäger schauten durch das Loch. „Du willst uns wohl zum Narren halten?“, riefen sie. „Da sind doch nur ein paar Zweige.“ „Schaut noch einmal genau hin!“ „Weiter nichts als Zweige und ein kleines Stück Himmel!“ „Das ist das Geheimnis meines Glücks“, sagte der Einsiedler. „Ein kleines Stück Himmel!“
Der Besucher sagte: „Meister, du musst mir helfen.“ „Ich bin mit meiner Weisheit am Ende.” „Wie sieht dein Problem denn aus?” Fragte der Weise. „Ich schaffe es kaum, meinen Ärger zu kontrollieren“, sagte der Gast. „Es ist einfach die Art, wie die Leute sind: Ich sehe sie andere kritisieren während sie ihre eigenen Fehler absolut nicht bemerken. Ich möchte sie nicht kritisieren, da ich nicht wie sie sein möchte, aber es regt mich wirklich auf.“ „Ich verstehe”, sagte der Weise. „Aber sage mir erst: Bist du nicht der Dorfbewohner, der letztes Jahr dem Tod nur knapp entkommen ist?“ „Ja“, nickte der Gast. „Es war eine schreckliche Erfahrung. Ich bin zu weit in den Wald gegangen und stieß auf ein Rudel hungriger Wölfe.“ „Und was hast du gemacht?“ „Ich bin gerade noch auf einen Baum geklettert, bevor sie mich erreichten. Die Wölfe waren riesig und ich zweifelte nicht daran, dass sie mich in Stücke hätten reißen können.“ „Du warst also gefangen?“ „Ja. Ich wusste, dass ich ohne Wasser und Nahrung nicht lange auskommen würde, und so wartete ich, bis ihre Wachsamkeit nachließ. Immer wenn ich dachte, es sei sicher genug, kletterte ich herunter, sprintete zum nächsten Baum und kletterte herauf, bevor sie mir zu nahe kamen.“ „Das hört sich nach einer echten Tortur an.“ „Ja – insgesamt dauerte es zwei Tage. Ich dachte ich würde sicher sterben. Zum Glück fand mich eine Gruppe Jäger, sobald ich nah genug am Dorf war. Die Wölfe zerstreuten sich und ich war gerettet.“ „Mich interessiert vor allem eine Sache“, sagte der Weise. „Während dieser Erfahrung, hast du dich von den Wölfen irgendwann beleidigt gefühlt?“ „Was? Beleidigt?“ „Ja. Hast du dich von den Wölfen beleidigt oder verunglimpft gefühlt?“ „Natürlich nicht, Meister. Dieser Gedanke ist mir nie gekommen.“„Warum nicht? Sie wollten nichts anderes, als dich beißen, nicht? Sie wollten dich töten, nicht wahr?“ „Ja, aber… das ist nun einmal, was Wölfe tun! Sie waren einfach sie selbst. Es wäre absurd gewesen, mich beleidigt zu fühlen.“ „Exzellent! Behalte diesen Gedanken im Kopf, während wir uns noch mal um deine Frage kümmern. Andere zu kritisieren, während sie selbst ihre Fehler nicht bemerken ist etwas, was viele Leute tun. Du kannst sogar sagen, es sei etwas, was wir alle von Zeit zu Zeit tun. In einem gewissen Sinn leben die gefräßigen Wölfe in jedem von uns. Wenn die Wölfe ihre Krallen zeigen und auf dich zukommen, solltest du nicht einfach stehenbleiben. Du solltest dich sicherlich schützen, indem du irgendwie von ihnen fort kommst, wenn es irgend möglich ist. Genauso solltest du nicht passiv akzeptieren, wenn Leute mit giftiger Kritik auf dich losgehen. Sicherlich solltest du dich schützen, indem du eine gewisse Distanz zwischen dich und sie bringst, wenn es irgendwie möglich ist. Der wichtigste Punkt dabei ist, dass du das tun kannst, ohne dich angegriffen oder beleidigt zu fühlen, da diese Leute einfach nur sie selbst sind. Es liegt in ihrer Natur zu kritisieren und zu richten, es wäre also absurd daran Anstoß zu nehmen. Es macht keinen Sinn, wütend zu werden. Das nächste Mal, wenn die hungrigen Wölfe in Menschenhaut sich nähern, denke daran: Das ist einfach die Art, wie die Leute sind – genau wie du gesagt hast, als du reingekommen bist.“
Ein buddhistischer Philosoph namens Tao-kwang fragte einen Zen-Meister: „Wenn man sich im Erkennen der Wahrheit zu bilden trachtet – welche geistige Haltung sollte man einnehmen?” Der Meister erwiderte: „Das ist kein Geist, der zu halten wäre, keine Wahrheit, in der man sich bilden könnte.” Darauf der Philosoph: „Wenn das zutrifft, weshalb versammeln sich die Mönchen dann um euch und wollen in der Wahrheit unterwiesen werden?” Der Meister antwortete: „Ich habe keinen Raum – wie könnten sich die Mönche um mich versammeln? Ich habe keine Zunge – wie also sollte ich andere unterweisen?” Da rief der Philosoph: „Das ist eine dreiste Lüge!” „Ich sagte doch, ich habe keine Zunge!” entgegnete der Meister. „Wie also sollte ich lügen?” Völlig ratlos fragte der Philosoph: „Ich kann Eurer Logik einfach nicht folgen.” Und der Meister schloss: „Ich verstehe mich selber auch nicht.”
Eines Tages nahm ein Mann seinen Sohn mit aufs Land, um ihm zu zeigen, wie arme Leute leben. Vater und Sohn verbrachten einen Tag und eine Nacht auf der Farm einer sehr armen Familie. Als sie wieder zurückkehrten, fragte der Vater seinen Sohn: „Wie war dieser Ausflug?” „Sehr interessant!” antwortete der Sohn.” „Und hast du gesehen, wie arm Menschen sein können?” “Oh ja, Vater, das habe ich gesehen.” „Was hast du also gelernt?” fragte der Vater. Und der Sohn antwortete: „Ich habe gesehen, dass wir einen Hund haben und die Leute auf der Farm haben vier. Wir haben einen Swimmingpool, der bis zur Mitte unseres Gartens reicht, und sie haben einen See, der gar nicht mehr aufhört. Wir haben prächtige Lampen in unserem Garten und sie haben die Sterne. Unsere Terrasse reicht bis zum Vorgarten und sie haben den ganzen Horizont.” Der Vater war sprachlos. Und der Sohn fügte noch hinzu: „Danke Vater, dass du mir gezeigt hast, wie arm wir sind.”
Ein Mann wohnte in einem kleinen Dorf. Eines Tages erfuhr er, dass ein Nachbar über ihn schlecht geredet hatte. Es waren böse Gerüchte und er stellte den Nachbarn zur Rede. Der Nachbar entschuldigte sich ganz kleinlaut und meinte „Ich werde es bestimmt nicht wieder tun“! Ich nehme alles zurück, was ich über Sie erzählt habe“. Der Mann sah den Nachbarn schweigend und ernst an. Nach einigen Minuten sagte er „Gut, ich verzeihe Ihnen, aber eine kleine Strafe werde ich Ihnen schon noch auflegen!“. „Alles was Sie möchten.“ erwiderte der Nachbar schnell, froh, dass der Mann ihm nun wohl nicht böse war. Der Mann ging in sein Haus hinein und holte ein mit Federn gefülltes Kissen. Er nahm eine Schere, schnitt das Kissen auf und warf die weichen leichten Federn in die Luft. Da es an diesem Tag sehr windig war, wurden sie Federn schnell von dem Wind hinweg getragen. Der Nachbar schaute fragend und leicht irritiert, sagte aber nichts dazu. Nachdem beide eine Weile den Federn beim Fliegen zugeschaut hatten sprach der Mann: „So, Herr Nachbar, Sie werden jetzt jede einzelne der Federn wieder einsammeln und zurück in dieses Kissen legen. Der Nachbar bekam große Augen und stammelte: „Das geht doch nicht! Das ist unmöglich, verlangen Sie das bitte nicht von mir! Ich kann doch unmöglich all die Federn wieder einsammeln! Inzwischen hat der Wind sie in alle Himmelsrichtungen getragen. Es ist doch unmöglich sie alle wieder einzusammeln!!?“ Der Mann nickte ernst: „Sehen Sie! Genau so ist es mit den Verleumdungen. Einmal ausgestreut, laufen sie durch alle Winde, wir wissen nicht wo sie ankommen und auch nicht bei wem. Wie können Sie die Verleumdung also einfach wieder zurücknehmen?“
Es war einmal ein Großvater, der schon sehr, sehr alt war. Seine Beine gehorchten ihm nicht mehr, die Augen sahen schlecht, die Ohren hörten nicht mehr viel und Zähne hatte er auch keine mehr. Wenn er aß, floss dem alten Mann die Suppe aus dem Mund. Der Sohn und die Schwiegertochter ließen ihn deshalb nicht mehr am Tisch essen, sondern brachten ihm sein Essen hinter den Ofen, wo er in seiner Ecke saß. Eines Tages, als man ihm die Suppe in einer Schale hingetragen hatte, ließ er die Schale fallen und sie zerbrach. Die Schwiegertochter machte dem Greis Vorwürfe, dass er ihnen im Haus alles beschädige und das Geschirr zerschlage, und sagte, dass sie ihm von jetzt an das Essen in einem Holzschüsselchen geben werde. Der Greis seufzte nur und sagte nichts. Als der Mann und die Frau einige Tage später zu Hause beisammen saßen, sahen sie, dass ihr Söhnchen auf dem Fußboden mit kleinen Brettern spielte und etwas zimmerte. Der Vater fragte ihn: „Was soll das denn werden?” Und der Sohn antwortete: „Das soll ein Holzschüsselchen werden, Väterchen. Daraus werde ich dir und der Mutter zu essen geben, wenn Ihr alt geworden seid.” Der Mann und die Frau sahen sich an und weinten. Ihnen wurde plötzlich bewusst, wie sehr sie den Greis gekränkt hatten und sie schämten sich. Fortan ließen sie ihn wieder am Tisch sitzen und waren freundlich zu ihm.
Einmal kam ein sehr ungeduldiger und ungestümer Schüler zum Meister. Er bedrängte den Weisen mit der Frage: „Meister, so verratet mir doch, was das Geheimnis des Lebens ist!” Der Meister fragte den Schüler: „Kannst du denn ein Geheimnis für dich behalten?” Voller Erwartung nickte der Schüler eifrig: „Ja, natürlich kann ich das. Meister – selbstverständlich.“ Der Meister schickte sich an, den Raum zu verlassen. Er drehte sich an der Tür noch einmal um und sagte: „Siehst du, ich auch.”
Eines Tages wurde der Philosoph Sokrates von einem Mann besucht. „Hör zu!”, sagte der Mann. „Ich will dir mal etwas über das Benehmen deines Freundes erzählen.” „Halt ein!”, forderte Sokrates. „Bevor du mir die Geschichte erzählst, solltest du sie unbedingt vorher durch die drei Siebe geben.” „Welche drei Siebe?”, wunderte sich der Mann. „Nun, zuerst solltest du deine Gedanken durch das Sieb der Wahrheit geben”, riet ihm Sokrates. „Hast du auch geprüft, ob das, was du mir erzählen wirst, auch wahr ist?” „Ob die Geschichte wahr ist, weiß ich nicht”, sagte der Mann. „Ich habe diese Geschichte selbst nur gehört.” „Aber ich nehme doch an, dass du deine Geschichte durch das Sieb der Güte hast gehen lassen”, fuhr Sokrates fort. „Die Geschichte, die du mir erzählen wirst, ist doch eine gute Sache, oder?“ „Aber nein, im Gegenteil!”, rief der Mann. „Aha”, bemerkte der Philosoph. „Kommen wir wenigstens zum dritten Sieb. Hat die Geschichte, die du mir erzählen wirst, denn einen Nutzen?” „Nutzen? Nicht unbedingt”, überlegte der Mann. „Dann will ich diese Geschichte auch nicht hören”, entschied Sokrates. „Wenn das, was du mir erzählen wirst, weder wahr noch gut ist und noch nicht einmal einen Nutzen hat, rate ich dir, sie am besten gleich selbst zu vergessen.”
In Armenien lebte im 18. Jahrhundert ein Ehepaar. Der Mann war ein Cellospieler – einer der Großen seiner Zeit, der sein Instrument virtuos beherrschte. Je älter er aber wurde, desto weniger spielte er und umso mehr legte er Wert darauf, dieses Wenige in höchster Vollendung zu spielen. Als er nun ganz alt war, spielte er nur noch einen einzigen Ton, diesen jedoch so wunderbar, wie man es nie zuvor gehört hatte. Seiner Frau aber war das langweilig – immer der gleiche Ton, wusste sie doch, welch begnadeten Cellospieler sie zum Manne hatte. Nun geschah es, dass ein Orchester in ihrer Stadt ein Konzert gab. Die Frau ging hin und berichtete ihrem Mann voll Begeisterung: „Es waren viele Cellisten dabei. Sie spielten rauf und runter, die verschiedensten Töne – und du spielst immer nur den einen Ton!” Darauf der Mann: „Sie sind noch am Suchen”
Es lebte in Arabien ein alter Vater, der drei Söhne und 17 Kamele hatte. Als der Greis sein Ende nahen fühlte, versammelte er die Söhne um sich und sprach zu ihnen: “Alles, was ich euch hinterlasse, sind meine Kamele. Teilt sie so, dass der Älteste die Hälfte, der Mittlere ein Drittel und der Jüngste ein Neuntel erhält.” Kaum war dies verkündet, da schloss er die Augen, und die Söhne konnten ihn nicht mehr darauf aufmerksam machen, dass sein letzter Wille offenbar unvollstreckbar sei. Siebzehn ist doch eine störrische Zahl und lässt sich weder durch zwei noch durch drei und schon gar nicht durch neun teilen! Doch der letzte Wille des Vaters ist jedem braven Araber heilig. Da kam zum Glück ein weiser Pilger auf seinem Kamel daher geritten, der sah die Ratlosigkeit der 99 drei Erben und bot ihnen seine Hilfe an. Sie trugen ihm den verzwickten Fall vor, und der Weise riet lächelnd, sein eigenes Kamel zu den hinterlassenen zu stellen und die gesamte Herde nach dem letzten Willen des Vaters zu teilen, und siehe da – der Älteste bekam neun der Tiere, der Mittlere sechs, der Jüngste zwei, das waren eben die Hälfte, ein Drittel und ein Neuntel, und auf dem Kamel, das übrig blieb, ritt der Weise – denn es war das seine – lächelnd davon.
Es gibt eine alte taoistische Geschichte über einen Baum. Der Baum war alt und krumm; jeder Ast war gewunden und knorrig. Jemand, der an dem alten und schiefen Baum vorbeikam, bemerkte zu Tschuang-Tse, was für ein unnützer Baum es doch sei; weil der Stamm und die Äste so verwachsen waren, war der Baum zu nichts zu gebrauchen. Tschuang-Tse antwortete: „Der Baum auf dem Bergkamm ist sein eigener Feind. Den Zinnbaum kann man essen, deshalb wird er abgehauen. Der Lackbaum ist nützlich, deshalb verstümmeln sie ihn. Jedermann weiß, wie nützlich es ist, nützlich zu sein. Niemand scheint zu wissen, wie nützlich es ist, unnütz zu sein. Seine Nutzlosigkeit beschützte den Baum. Niemand wollte ihn zu irgendetwas gebrauchen, so wurde er auch nicht abgehauen und lebte bis ins hohe Alter, seine eigene Natur erfüllend.“ Was bedeutet es, unnütz zu sein? Es bedeutet, leer von dem Drang zu sein, etwas zu werden, etwas Besonderes zu sein, den Geist von solchen 100 Gedanken des „Erreichenwollens“ zu befreien. Unnütz zu werden bedeutet, sich entspannt zurückzulehnen und unserer eigenen Natur zu gestatten, sich leicht und einfach zu entfalten. Es gibt einen berühmten Mönch in Thailand, der diese Einstellung des Geistes und auch des ganzen Dharma in einem kurzen Satz zusammenfasste. Er sagte: „Es gibt nichts zu erreichen, nichts zu tun und nichts zu besitzen.” Nichts Besonderes. Alles ist vergänglich, alles fließt, alles ist in ständiger Veränderung. Wenn wir uns von dem Drang befreien können, jemand Besonderes auf eine bestimmte Art zu sein oder bestimmte Dinge besitzen zu wollen – überhaupt frei sind von diesem Begehren, zu tun oder zu sein oder irgendetwas zu haben -, dann können wir uns hineingeben in die natürliche Entfaltung des Dharma.“
Auf einem Rundgang durch seine Hauptstadt begegnete der König einem Bettler. „Wenn Du mir etwas geben willst“, sagte der Bettler zum König, „dann musst du dich an meine Bedingung halten“. Der König war verblüfft. Er kannte viele Bettler, aber einer, der ihm Bedingungen stellen wollte, war ihm noch nie begegnet. Er schaute dem Mann in die Augen und spürte, dass er eine starke Ausstrahlung hatte. Merkwürdig! Tatsächlich war der Bettler gar kein Bettler, sondern ein Sufi-Mystiker, aber das ahnte der König nicht. „Was meinst du mit »Bedingung«?“ fragte der König und der Bettler antwortete: „Ich nehme dein Almosen nur an, wenn es dir gelingt, meinen Bettelnapf bis zum Rand zu füllen.“ Der König glaubte, sich verhört zu haben. Der Bettelnapf war klein. Wollte sich der Bettler über ihn lustig machen? „Wie kommst du denn auf die Idee, dass ich deinen kleinen dreckigen Bettelnapf nicht voll bekomme?!“ fragte der König scharf. „Ich bin doch kein Bettler, so wie du!“ Der Bettler lächelte und sagte: „Es ist besser, wenn ich dich warne, bevor du es versuchst und vielleicht Probleme kriegst.“ Was zum Teufel bildete sich dieser Bettler ein? Der König war neugierig und wütend geworden. Er befahl seinem Wesir: „Mach diesen Bettelnapf voll!“ Der Wesir eilte in den Palast, kehrte nach ein paar Minuten mit eine Tasche voller Edelsteinen zurück und warf sie in den Bettelnapf. Da passierte etwas Merkwürdiges: Die Edelsteine verschwanden in dem Bettelnapf so schnell, wie der Wesir sie hineinwarf! „Weiter!“ rief der König. „Mehr!“ Er war außer sich vor Erstaunen und Wut. Er wollte um keinen Preis in der Welt nachgeben und dem Bettler einen Triumph gönnen. Der Wesir eilte in den Palast zurück und holte mehr Edelsteine. Aber auch sie verschwanden in dem Napf des Bettlers. Jetzt verlor der König seinen Verstand. Er war bereit, sein ganzes Königreich aufs Spiel zu setzen. Der Bettler durfte einfach nicht gewinnen! „Mehr!“ schrie er und der Wesir eilte davon und holte mehr Edelsteine, immer mehr, bis die Schatzkammer leer war. So verschwand das ganze Vermögen des Königs und der Staatsschatz in dem kleinen Bettelnapf. Und am Ende war der König genau so arm wie der Bettler. Jetzt endlich kam der König wieder zur Vernunft. Er verbeugte sich vor dem Bettler. „Ich habe dich beleidigt“, sagte er. „Bitte vergib mir. Und bevor du gehst, verrate mir bitte das Geheimnis deines Bettelnapfes. Wie kommt es, dass alle meine Schätze in ihm verschwunden sind?“ Der Bettler lachte und sagte: „Ich habe den Napf aus dem gleichen Stoff gemacht, aus dem das menschliche Ego gemacht ist. Das Ego kann nie genug kriegen. Was immer du ihm gibst – es ist nie erfüllt und zufrieden.“
Ein Vater reitet auf einem Esel und neben ihm läuft sein kleiner Sohn. Da sagt ein Passant empört: „Schaut euch den an. Der lässt seinen kleinen Jungen neben dem Esel herlaufen.“ Der Vater steigt ab und setzt seinen Sohn auf den Esel. Kaum sind sie ein paar Schritte gegangen ruft ein anderer: „Nun schaut euch die beiden an. Der Sohn sitzt wie ein Pascha auf dem Esel und der alte Mann muss laufen.“ Nun setzt sich der Vater zu seinem Sohn auf den Esel. Doch nach ein paar Schritten ruft ein anderer empört: „Jetzt schaut euch die Beiden an. So eine Tierquälerei". Also steigen beide herab und laufen neben dem Esel her. Und sogleich sagt ein anderer belustigt: „Wie kann man nur so blöd sein. Wozu habt ihr einen Esel, wenn ihr ihn nicht nutzt.“
Der Schüler betrachtet die Übungsweise des Kung Fu bei anderen Schülern. Die Tränen sind ihm nahe und er sagt: „Einfache kontrollierte Bewegungen und die Harmonie von Körper und Geist herzustellen, das ist ein Anblick voller Anmut und Schönheit und von heiterer Gelassenheit, doch seltsamerweise lässt manchen dieser Augenblick in Tränen ausbrechen. Ein Meister hörte dies und fragte: „Warum weinst Du?“ „Meister, es ist alles viel zu schön, ich weine über mein großes Glück. Der Meister fragte erneut: „Sag mir warum.“ Und der Schüler sagte: „Ich stand einmal draußen vor dem Tor, mit vielen anderen Jungen. Jeder hoffte diese Stätte des Friedens betreten zu können, aber nur ich wurde erwählt.“ „Aber es ist so gekommen und jetzt bist Du hier.“ Antwortete der Meister. „Ja Meister, doch wäre ich nicht erwählt worden, wo wäre ich heute?“ „Wer kann das sagen?“ sagte der Meister. Der Schüler fragte: „Und was ist mit den anderen, wo sind sie jetzt?“ „Auch das entzieht sich unserer Kenntnis.“ „Und was wird aus jenen, die nichts von diesem Ort wissen? Werden sie nie in Frieden leben?“ „Hast du Mitleid mit Ihnen?“ fragte der Meister. „Oh ja.“ „ Dann komm mit mir Schüler und betrachte das Feld samentragender Lilienblüten. Der Wind, der die Samen fort trägt kennt keine Günstlinge. Die Samen fallen dort nieder wie es das Zusammenspiel von Wind und Wetter gerade ergibt. Jene die vielleicht auf fruchtbaren Boden fallen, werden gehegt und gepflegt. Sie gedeihen und blühen. Jene die auf unfruchtbaren Boden fallen, sterben und doch werden sich einige von ihnen in dürren Gegenden an Bergwände in tiefe Felsspalten an das Leben klammern. So stößt manch Wanderer unverhofft auf einen Anblick wundervoller Schönheit. Eine einzige Lilie die inmitten von Felsen wächst, wird ein rücksichtsvoller Wanderer im vorbeiziehen gießen und sich freuen über ihre Kraft, ihre Schönheit und ihren Lebenswillen. Dann wächst sie auch zwischen grauen Felsen. So ist sie nach wie vor eine Lilie und was ihre Schönheit betrifft, genauso prächtig wie die in einem Lilienbeet.
Der Schüler kommt zu seinem blinden Meister der ihn anweist: „Schließ deine Augen, was kannst du hören?“ „Ich höre das Wasser, und ich höre die Vögel.“ „Hörst du nicht den Grashüpfer der vor deinen Füßen sitzt?“ „Alter Mann, wie kommt es das du diese Dinge hörst, ohne zu sehen?“ „ Junger Mann, wie kommt es, das du diese Dinge nicht hörst?“ „Ich hatte nichts bemerkt! Ich kann das nicht verstehen Meister.“ „ Das ist der Anfang.“ Sagte der Meister „Wird es lange dauern, bis ich alles gelernt habe Meister?“ fragte der Schüler. „Nur ein ganzes Leben, vielleicht etwas länger.“ war die Antwort.
Es kamen ein paar Suchende zu einem alten Zen-Meister. „Herr“, fragten sie „was tust du, um glücklich und zufrieden zu sein? Wir wären auch gerne so glücklich wie du.“ Der Alte antwortete mit mildem Lächeln: „Wenn ich liege, dann liege ich. Wenn ich aufstehe, dann stehe ich auf. Wenn ich gehe, dann gehe ich und wenn ich esse, dann esse ich.“ Die Fragenden schauten etwas betreten in die Runde. Einer platzte heraus: „Bitte, treibe keinen Spott mit uns. Was du sagst, tun wir auch. Wir schlafen, essen und gehen. Aber wir sind nicht glücklich. Was ist also dein Geheimnis?“ Es kam die gleiche Antwort: „Wenn ich liege, dann liege ich. Wenn ich aufstehe, dann stehe ich auf. Wenn ich gehe, dann gehe ist und wenn ich esse, dann esse ich.“ Die Unruhe und den Unmut der Suchenden spürend, fügte der Meister nach einer Weile hinzu: „Sicher liegt auch Ihr und Ihr geht auch und Ihr esst. Aber während Ihr liegt, denkt Ihr schon ans Aufstehen. Während Ihr aufsteht, überlegt Ihr wohin Ihr geht und während Ihr geht, fragt Ihr Euch, was Ihr essen werdet. So sind Eure Gedanken ständig woanders und nicht da, wo Ihr gerade seid. In dem Schnittpunkt zwischen Vergangenheit und Zukunft findet das eigentliche Leben statt. Lasst Euch auf diesen nicht messbaren Augenblick ganz ein und Ihr habt die Chance, wirklich glücklich und zufrieden zu sein.“
Ein Wissenschaftler beobachtete einen Schmetterling und sah, wie sehr sich dieser abmühte, durch das enge Loch aus dem Kokon zu schlüpfen. Stundenlang kämpfte der Schmetterling, um sich daraus zu befreien. Da bekam der Wissenschaftler Mitleid mit dem Schmetterling, ging in die Küche, holte ein kleines Messer und weitete vorsichtig das Loch im Kokon damit sich der Schmetterling leichter befreien konnte. Der Schmetterling entschlüpfte sehr schnell und sehr leicht. Doch was der Mann dann sah, erschreckte ihn doch sehr. Die Flügel waren ganz kurz und er konnte nur flattern aber nicht richtig fliegen. Da ging der Wissenschaftler zu einem Freund, einem Biologen, und fragte diesen: „Warum sind die Flügel so kurz und warum kann dieser Schmetterling nicht richtig fliegen?“ Der Biologe fragte ihn, was er denn gemacht hätte. Da erzählte der Wissenschaftler dass er dem Schmetterling geholfen hatte, leichter aus dem Kokon zu schlüpfen. „Das war das Schlimmste was du tun konntest. Denn durch die enge Öffnung, ist der Schmetterling gezwungen, sich hindurch zu quetschen. Erst dadurch werden seine Flügel aus dem Körper herausgequetscht und wenn er dann ganz ausgeschlüpft ist, kann er fliegen. Weil du ihm geholfen hast und den Schmerz ersparen wolltest, hast du ihm zwar kurzfristig geholfen, aber langfristig zum Tode veruteilt.“ Wir brauchen manchmal den Schmerz um uns entfalten zu können - um der oder die zu sein, die wir sein können. Deshalb ist die Not oft notwendig - die Entwicklungschance die wir nutzen können.
Vor langer Zeit überlegten die Götter, dass es sehr schlecht wäre, wenn die Menschen die Weisheit des Universums finden würden, bevor sie tatsächlich reif genug dafür wären. Also entschieden die Götter, die Weisheit des Universums so lange an einem Ort zu verstecken, wo die Menschen sie solange nicht finden würden, bis sie reif genug sein würden. Einer der Götter schlug vor, die Weisheit auf dem höchsten Berg der Erde zu verstecken. Aber schnell erkannten die Götter, dass der Mensch bald alle Berge erklimmen würde und die Weisheit dort nicht sicher genug versteckt wäre. Ein anderer schlug vor, die Weisheit an der tiefsten Stelle im Meer zu verstecken. Aber auch dort sahen die Götter die Gefahr, dass die Menschen die Weisheit zu früh finden würden. Dann äußerte der weiseste aller Götter seinen Vorschlag: „Ich weiß, was zu tun ist. Lasst uns die Weisheit des Universums im Menschen selbst verstecken. Er wird dort erst dann danach suchen, wenn er reif genug ist, denn er muss dazu den Weg in sein Inneres gehen.“ Die anderen Götter waren von diesem Vorschlag begeistert und so versteckten sie die Weisheit des Universums im Menschen selbst.
Ein kleiner Junge, der auf Besuch bei seinem Großvater war, fand eine kleine Landschildkröte und ging gleich daran sie zu untersuchen. Im gleichen Moment zog sich die Schildkröte in ihren Panzer zurück und der Junge versuchte vergebens sie mit einem Stöckchen herauszuholen. Der Großvater hatte ihm zugesehen und hinderte ihn daran, das Tier weiter zu quälen. „Das ist falsch“, sagte er, „komm' ich zeig' dir wie man das macht.“ Er nahm die Schildkröte mit ins Haus und setzte sie auf den warmen Kachelofen. In wenigen Minuten wurde das Tier warm, steckte seinen Kopf und seine Füße heraus und kroch auf den Jungen zu. „Menschen sind manchmal wie Schildkröten“, sagte der Mann. „Versuche niemals jemanden zu zwingen. Wärme ihn nur mit etwas Güte und Mitgefühl auf und er wird seinen Panzer verlassen können.“
Ein Schüler besucht seinen Meister in dessen Wohnung. Die Wohnung ist ganz karg eingerichtet, nur das Allernötigste ist da. Der Schüler fragt den Meister: „Meister, wo sind deine Möbel? Wo sind deine Bücher? Wo sind deine Töpfe?“ Der Meister fragte: „Wo sind denn deine Möbel? Deine Bücher? Deine Töpfe?“ „Aber Meister, ich bin hier doch nur zu Besuch.“ Der Meister sagte lächelnd: „Siehst du. Ich bin hier auch nur zu Besuch.“
Ein Mönch fragt Zen-Meister Joshu: „Ist derjenige, der über gut und schlecht hinaus ist, befreit oder nicht befreit?“ Joshu antwortet: „Er ist nicht befreit.“ Der Mönch fragt nach: „Warum nicht?“ Joshu erwidert: „Weil er innerhalb von gut und böse ist.“
Ein junger Mann begab sich zu einem entlegenen Kloster und sagte zum Abt: „Ich bin vom Leben enttäuscht und möchte die Erleuchtung erlangen um von diesem Leid befreit zu sein. Aber ich habe keine Begabung, etwas lange durchzuhalten. Ich könnte niemals lange Jahre der Meditation und der Studien und der strengen Lebensführung durchmachen. Gibt es auch einen kurzen Weg für Leute wie mich?“ „Es gibt einen“, sagte der Abt, „wenn du wirklich entschlossen bist. Sag mir, was hast du studiert, worauf hast du dich in deinem Leben am meisten konzentriert?“ „Hm, auf nichts so richtig. Wir waren reich und ich brauchte nicht zu arbeiten. Das einzige was mich wirklich interessierte war das Schachspiel. Damit verbrachte ich die meiste Zeit.“ Der Abt dachte einen Moment nach und lies dann einen bestimmten Mönch rufen, er solle Schachbrett und Figuren bringen. Der Mönch kam mit dem Brett und der Abt stellte die Figuren auf. Dann lies er sein Schwert bringen und zeigte es den beiden. „Mönch, sagte er, du hast mir als deinem Abt Gehorsam gelobt – nun fordere ich ihn von dir. Du wirst mit diesem jungen Mann eine Partie Schach spielen. Wenn du verlierst werde ich dir mit diesem Schwert den Kopf abschlagen, doch ich verspreche, dass du im Paradies wiedergeboren wirst. Wenn du gewinnst werde ich diesem Mann den Kopf abschlagen.” Sie sahen dem Abt ins Gesicht und verstanden dass es ihm ernst war. Sie begannen das Spiel. Bei den Eröffnungszügen spürte der junge Mann, wie ihm der Schweiß herunter rann, er spielte um sein Leben. Das Schachbrett wurde zur ganzen Welt, er war ganz und gar darauf konzentriert. Zuerst war es schlecht um ihn bestellt und er begann zu zittern. Doch dann machte der andere einen schwachen Zug und er ergriff die Gelegenheit für einen starken Angriff. Als die Stellung seines Gegners zerbrö- ckelte sah er ihn verstohlen an. Er sah ein Gesicht voller Aufrichtigkeit und Intelligenz, geprägt von Jahren strengen Lebens und Bemühens. Er dachte an sein eigenes wertloses Leben und ihn überkam eine Welle des Mitgefühls. Absichtlich beging er einen Fehler und dann noch einen, der seine Stellung ruinierte und ihn seiner Verteidigung beraubte. Plötzlich beugte sich der Abt vor und stieß das Brett um. Die beiden Spieler waren verstört. „Hier gibt es keinen Gewinner und keinen Verlierer,“ sagte der Abt, „hier kann kein Kopf fallen. Nur zwei Dinge sind erforderlich“ und er wandte sich an den jungen Mann, „völlige Konzentration und Mitgefühl. Du hast heute beides gelernt. Du warst völlig auf das Spiel konzentriert und konntest doch Mitgefühl empfinden und warst bereit dein Leben zu opfern. Bleibe einige Monate hier und verfolge die Ausbildung in diesem Geiste.”
Als Hyakujo einst Vorträge über Zen hielt, nahm ein alter Mann daran teil, ohne von den Mönchen gesehen zu werden. Am Ende jeder Ansprache, wenn die Mönche weggingen, ging auch er. Aber eines Tages blieb er, nachdem die Mönche gegangen waren, und Hyakujo fragte ihn: „Wer bist du?“ Der alte Mann antwortete: „Ich bin kein menschliches Wesen, aber ich war ein menschliches Wesen, als Buddha in dieser Welt predigte. Ich hielt mich für einen Zen-Meister und lebte auf diesem Berg. Damals fragte mich einer meiner Schüler, ob der erleuchtete Mensch dem Gesetz der Kausalität unterworfen sei. Ich antwortete ihm: „Der erleuchtete Mensch ist dem Gesetz der Kausalität nicht unterworfen.“ Wegen dieser Antwort, mit der ich eine Verhaftung an das Absolute bewies, wurde ich für fünfhundert Wiedergeburten zu einem Fuchs, und ich bin immer noch ein Fuchs. Willst du mich aus diesem Zustand mit deinen Zen-Worten befreien und mich aus dem Fuchskörper herauskommen lassen? Dann lass mich jetzt dich fragen: „Ist der erleuchtete Mensch dem Gesetz der Kausalität unterworfen?'" Hyakujo sagte: „Der erleuchtete Mensch ist eins mit dem Gesetz der Kausalität.“ Bei diesen Worten des Hyakujo erfuhr der alte Mann die Erleuchtung.
Kyogen sagte: „Zen ist, wie wenn ein Mann mit seinen Zähnen an einem Baum über einem Abgrund hängt. Seine Hände erfassen keinen Zweig, seine Füße ruhen auf keinem Ast, und unter dem Baum fragt ihn ein anderer: „Warum kam Bodhidharma von Indien nach China?“ Wenn der Mann an dem Baum nicht antwortet, versagt er; und wenn er antwortet, fällt er und verliert sein Leben. Was soll er also tun?“ In solch einer misslichen Lage ist die größte Beredsamkeit nutzlos. Wenn du alle Sutras auswendig gelernt hast, kannst du sie nicht anwenden.
Auf dem Hof des Tempels streiten zwei Mönche über eine Fahne, die sich im Wind bewegt. Einer der Mönche behauptet: „Die Fahne bewegt sich.“ Der andere Mönch sagt: „Nein, nicht die Fahne bewegt sich, sondern der Wind bewegt sich. Nur deshalb erscheint es uns, als bewege sich die Fahne.“ Die Diskussion wird immer heftiger und lauter. In diesem Moment kommt der Meister vorbeigeschlendert, bleibt kurz stehen und sagt: „Ihr habt beide unrecht. Nicht die Fahne und auch nicht der Wind bewegen sich. Es ist euer Geist der sich bewegt!“