CHORGESANG DES ZEN-MEISTERS HAKUIN

Lobpreisung des Zazen - Hakuin Zenji Zazen Wasan


Die Menschen sind in ihrem tiefsten Wesen Buddha; es ist wie bei Wasser und Eis: Wie es kein Eis gibt ohne Wasser, so gibt es nicht einen Menschen ohne Buddhanatur.

Wehe den Menschen, die in weiter Ferne suchen und nicht wissen, wie nahe die Wahrheit ist. Sie gleichen denen, die mitten im Wasser stehen und doch nach Wasser schreien. Sie sind Kinder aus reichem Haus, die in Armut und Elend ihren Weg verloren haben. Irrend durchwandern sie alle Welten, verstrickt im Finstern ihrer Unwissenheit. Wie könnten sie je frei werden von Geburt und Tod, wenn sie endlos im Dunkel des Irrtums suchen?

Zazen, wie es der Buddha lehrt: Kein Lob kann sein Verdienst erschöpfen! Alle Tugenden, Barmherzigkeit und Sittlichkeit, alle gute Tat, Lobpreisung Buddhas und alle Übungen, alle münden sie hier! Wem nur ein einmaliger Sitz sich vollendet, dem löst sich alles Karma auf, angehäuft in zahllosen Leben.

Wo sind die Pfade des Übels, wenn Reines Land so nahe ist? Wer voll Demut auch einmal nur diese Wahrheit vernimmt, wer sie preist und mit Vertrauen verfolgt, erlangt unendliche Glückseligkeit. Mehr noch:

Wenn wir uns ganz der Suche hingeben und unmittelbar unsere eigene Natur erleben, dann ist unser eigenes Wesen nichts anderes als die Natur des vollendeten Nichts und wir sind erhaben über des Denkens Spiel.

Weit öffnet sich das Tor der Einheit von Ursache und Wirkung, und der einzige Weg tut sich auf: Geradeaus hin, kein zweiter und dritter. Wer ihn beschreitet, der nimmt an als Gestalt die Gestalt des Gestaltlosen, und sein Gehen und Kommen geschieht nirgends, denn wo er ist.

Der nimmt an als sein Denken das Denken des Nicht-Denkens, und sein Singen und auch sein Tanzen sind Stimme der Wahrheit. Der Himmel des Samadhi ist grenzenlos und frei, und es leuchtet der volle Mond der vierfachen Weisheit. In diesem Augenblick: Was fehlte da noch, wo sich offenbart das Nirvana? Hier und jetzt ist Reines Land, und dieser Leib hier ist nichts anderes als Buddha.

 

 

Tojo Goi Hensho Kuketsu

Die Fünf Ränge der Erscheinung und der Wirklichkeit

 

Die Fünf Ränge der Erscheinung und der Wirklichkeit:

Die mündlich übermittelten geheimen Lehren dessen,

der auf dem Berg To lebte aus dem Keiso Dokuzui

Hakuin Ekaku (1689-1796)

 

 

Wir wissen nicht, von wem der Juwelenspiegel-Samadhi verfasst wurde. Durch Sekito Osho, Yakusan Osho und Ungan Osho wurde es von Meister zu Meister übertragen und im geheimen Raum weitergegeben. Bis jetzt wurde seine Lehre nie willentlich öffentlich preisgegeben. Nachdem er an Tozan Osho übermittelt war, verdeutlichte er die Abstufungen der fünf Ränge in ihm und er verfasste einen Vers für jeden Rang um das Grundprinzip des Buddhismus herauszustellen. Wahrlich, die Fünf Ränge sind eine Fackel auf mitternächtlicher Straße, eine Fähre am Flussufer, wenn man sich verlaufen hat!

 

Doch leider! Die Zengärten alter Zeiten sind verwüstet und unfruchtbar. Das Zen ‚Direkten Zeigens auf das Absolute’ wird als Verrücktheit und Narrheit angesehen; und jener höchste Schatz des Großen Fahrzeugs, die fünf Ränge der Erscheinung und der Wirklichkeit des Juwelenspiegel-Samadhi werden nur als das alte und zerbrochene Gefäß eines altmodischen Hauses angesehen. Niemand beachtet ihn. Heutige Schüler sind wie blinde Menschen, die ihre Stöcke weggeworfen haben,

sie unnützen Ballast nennend. Auf sich selbst gestellt straucheln sie und fallen in den Schlamm ketzerischer Ansichten, aus dem sie sich nicht herauswinden können, bis der Tod sie ereilt. Sie erfahren nie, dass die fünf Ränge das Schiff sind, das sie über das giftige Meer trägt, das den Rang des Wirklichen umgibt - das kostbare Rad, das das unbezwingliche Gefängnis der zwei Lehren zerstört. Sie kennen nicht die wichtige Straße fortschreitender Praxis; sie sind nicht vertraut mit der in dieser Lehre verborgenen Bedeutung. Daher versinken sie im Brackwasser auf dem Pfad des Sravaka- oder Pratyekabuddhas. Sie fallen in die Schwarze Grube welker Triebe und verrotteter Samen. Selbst die Hand Buddhas fände es schwierig, sie zu retten.

Das, worin ich vor vierzig Jahren im Zimmer Shojus eingeweiht wurde, werde ich nun als Dharma-Almosengabe verteilen. Wenn ich eine überlegene Person finde, die die wahre und tiefe Lehre studiert und den Großen Tod erfahren hat, werde ich ihm diese geheime Übertragung geben, da sie nicht für Menschen mittlerer oder geringer Fähigkeiten geschaffen wurde. Gebt acht und nehmt sie nicht leicht!

 

Wie unermesslich weit ist das Meer der Doktrin, wie mannigfaltig sind die Tore der Lehre! Unter diesen, versteht sich, gibt es eine Anzahl von Doktrinen und von mündlich überlieferten geheimen Lehren, doch niemals habe ich etwas gesehen, das der Pervertierung der fünf Ränge gleicht, der tadelsüchtigen Krittelei, den gewundenen Erklärungen, dem Hinzufügen von Zweig auf Zweig, dem

Aufhäufen von Verwicklung auf Verwicklung. Die Wahrheit ist, dass die Lehrer, die sich dessen schuldig machen, nicht wissen, für welches Prinzip die fünf Ränge eingeführt wurden. Daher bringen sie ihre Studenten durcheinander und verwirren sie bis zu einem Punkt, wo es selbst ein Shariputra oder Ananda es schwierig fände, korrekt zu urteilen. Oder, wäre es möglich, dass unsere Patriarchen selbst diese Absurditäten abgegeben haben, um ihre Nachkommen unnötig zu drangsalieren?

 

Dies habe ich mich lange Zeit gefragt. Aber als ich dann das Zimmer Shojus betrat, fiel das Rhinozeros meines vorherigen Zweifels plötzlich tot um. Schaut nicht mit Misstrauen auf die fünf Ränge und sagt, es sei nicht die unmittelbar überlieferte mündliche Lehre der Tozan-Linie. Ihr solltet wissen, dass erst, als er seine Untersuchung von Tozans Versen beendet hatte, Shoju den Fünf Rängen seine Anerkennung gab. Nachdem ich Shojus Zimmer betreten und Übertragung von ihm erhalten hatte, war ich sehr zufrieden. Doch, obwohl ich zufrieden war, bedauerte ich doch, dass noch nicht alle Lehrer klar die Bedeutung der ‚gegenseitigen Durchdringung der Erscheinung und des Wirklichen’ erklärt hatten. Sie schienen die Worte ‚gegenseitige Durchdringung’ verworfen zu haben und ihnen keinerlei Beachtung zu schenken. Daher erhob das Rhinozeros des Zweifels erneut sein Haupt. Im Sommer des ersten Jahres der Ära Kan’en (1748-1751), mitten in meiner Meditation wurde plötzlich das Mysterium der ‚gegenseitigen Durchdringung der Erscheinung und des Wirklichen’ vollkommen klar. Es war, als würde ich auf meine eigene Handfläche schauen. Das Rhinozeros des Zweifels fiel sofort tot um und ich konnte kaum die Freude darüber ertragen. Obwohl ich es Anderen weitergeben wollte, schämte ich mich doch, meine stinkende Altfrauenmilch auszupressen und die Münder der Mönche damit zu beschmutzen.

 

Alle ihr, die ihr diese tiefe Quelle ausloten wollt, müsst mit eurem ganzen Körper im geheimen die Untersuchung vornehmen. Meine eigene Bemühung hat sich über diese dreißig Jahre erstreckt. Haltet dies nicht für eine leichte Aufgabe! Selbst wenn ihr die Familie zerstören und den Haushalt vernichten solltet, glaubt nicht, das wäre genug. Ihr müsst schwören, sieben oder acht, oder sogar neun Brombeerdickichte zu durchdringen. Und, wenn ihr die Brombeerdickichte durchdrungen habt, haltet dies noch immer nicht für ausreichend. Schwört, die geheime Lehre der Fünf Ränge bis zum Ende zu erforschen. In den vergangenen acht, neun Jahren oder länger habe ich versucht, euch alle, die ihr euren täglichen Haferschleim auf dem selben Feuer kocht wie ich, anzustacheln, diese große Angelegenheit gründlich zu studieren, doch zumeist habt ihr es als die Doktrin eines anderen Hauses angesehen und seid gleichgültig dagegen geblieben. Nur einige Wenige unter euch haben ein Verständnis davon erlangt. Wie tief bekümmert mich das! Habt ihr nie gehört:

 

‚Mannigfach sind die Dharma-Tore; ich gelobe, sie alle zu studieren?’ Wieviel mehr sollte dies für das Hauptprinzip des Buddhismus gelten und für den unerlässlichen Weg des Sanzen! Shoju Rojin sprach: ‘Um ein Mittel zur Verfügung zu stellen, wodurch Schüler des Weges unmittelbar die Vier Weisheiten erfahren könnten, haben die Patriarchen in ihrem Mitleid und mit ihrem Geschick im Entwerfen förderlicher Mittel, zuerst die Fünf Ränge eingeführt.’ Was sind die sogenannten Vier Weisheiten? Es sind die Weisheit des Großen Vollkommenen Spiegels, die Weisheit der Allumfassenden Natur, die Weisheit der Wunderbaren Beobachtung und die Weisheit der Vervollkommnung des Handelns.

 

Die ihr dem Weg folgt, selbst wenn ihr eure Studien im Dreifachen Lernen ununterbrochen über viele Äonen hin verfolgt habt, wenn ihr nicht unmittelbar die Vier Weisheiten erfahren habt, ist euch nicht erlaubt, euch wahre Söhne Buddhas zu nennen. Die ihr dem Weg folgt, wenn eure Untersuchung korrekt und vollständig war - in dem Moment, da ihr die dunkle Höhle des Speicherbewusstseins aufbrecht, erstrahlt sofort das kostbare Licht der Weisheit des Großen Vollkommenen Spiegels. Aber, so merkwürdig es klingt, das Licht der Weisheit des Großen Vollkommenen Spiegels ist schwarz wie Lack. Dies wird die Stufe ‚die Erscheinung inmitten des Wirklichen’ genannt. Die Weisheit des Großen Vollkommenen Spiegels erreicht, betretet ihr nun die Stufe ‚das Wirkliche inmitten der Erscheinung’. Wenn ihr eure lange Übung des Juwelenspiegel-Samadhi bewältigt habt, realisiert ihr direkt die Weisheit der Allumfassenden Natur und tretet zum ersten Mal ein in den Zustand ungehinderter gegenseitiger Durchdringung von wahrer Natur und Erscheinung.

 

Aber der Schüler darf sich hier nicht zufrieden geben. Er selbst muss innige Bekanntschaft schließen mit der Stufe des ‚Herauskommens aus dem Wirklichen’. Danach, sich stützend auf die Stufe ‚Ankunft bei wechselseitiger Integration’ wird er die Weisheit der Wunderbaren Beobachtung und die Weisheit der Vervollkommnung des Handelns vollständig erweisen. Schließlich erreicht er die Stufe ‚Einheit Erreicht’ und kehrt nach allem zurück, um zwischen Kohlen und Asche zu sitzen. Wisst Ihr, warum? Reines Gold, das tausend Mal geschmolzen wurde, wird nie wieder zu Erz. Ich fürchte nur, ein kleiner Gewinn wird Euch schon genügen. Wie unschätzbar ist das Verdienst, das durch die schrittweise Übung der Fünf  Ränge von Erscheinung und Wirklichkeit gewonnen wird! Durch diese Übung erlangt Ihr nicht nur die vier Einsichten, ihr selbst werdet beweisen, dass Euer Körper auch vollständig die drei Körper umfasst. Habt Ihr nicht im Daijo Shogongyo Ron gelesen: ,Wenn die acht Arten des Bewusstseins umgekehrt werden, entstehen die vier Einsichten; werden die vier Einsichten gebündelt, werden die drei Körper vervollkommnet?’  Daher dichtete Sokei Daishi diese Verse:

 

Deine Selbstnatur entsteht,

mit den drei Körpern

wird ihr Leuchten manifest,

sind die vier Einsichten erlangt.

 

Er sagte auch: ,Der reine Dharmakaya ist Deine Natur, der vollkommene Sambhogakaya ist Deine Einsicht, die zahllosen Nirmanakayas sind Deine Aktivitäten.’

 

 

TOZAN RYOKAI’S VERSE ÜBER DIE FÜNF RÄNGE

 

Die Erscheinung inmitten des Wirklichen

 

In der dritten Nachtwache bevor

der Mond erscheint, wunder dich nicht,

wenn du dir begegnest ohne dich zu

erkennen. Noch immer bewahrt im

Herzen ist die Schönheit und der

Kummer vergangener Tage.

 

Der Rang ,Die Erscheinung inmitten des Wirklichen’ bezeichnet den Rang des Absoluten, den Rang, in dem man den Großen Tod erfährt, ,KA!’ brüllt, das Tao sieht und in das Prinzip eintritt. Wenn der wahrhaft Praktizierende, energiegeladen von seinem geheimen Studium, verdienstvollen Leistungen und verborgenen Praktiken plötzlich zu diesem Rang durchbricht ,verschwindet der leere Himmel und der eiserne Berg zerbröckelt’. ,Oben gibt es nicht einen Dachziegel, seinen Kopf zu schirmen; unten keinen Zentimeter Boden, darauf zu stehen.’ Die wahnhaften Begierden sind nichtexistent, Erleuchtung ist nichtexistent, Samsara ist nichtexistent, Nirvana ist nichtexistent. Dies ist der Zustand völlig leerer Fülle, ohne Klang und ohne Duft, wie ein bodenloser klarer Teich. Es ist, als wäre jedes Wölkchen vom gewaltigen Himmel gewischt. Nur zu oft, in der Annahme, dass sein Erlangen dieses Ranges das Ziel der Großen Angelegenheit und sein Verständnis des Buddha-Weges damit vollständig ist, klammert sich der Schüler bis zum Tod daran und will ihn nicht loslassen. Dies wird ,Zen des stehenden Wassers’ genannt, solch ein Mann wird ,ein böser Geist, der die Leiche im Sarg bewacht’ genannt. Auch wenn er in diesem Zustand dreißig oder vierzig Jahre versunken bleibt, wird er niemals aus der Höhle der Selbstgefälligkeit heraus und von den minderwertigen Früchten der Pratyeka-Buddhaschaft los kommen. Daher wird gesagt: ,Er, dessen Tun nicht diesen Rang verlässt, versinkt in einem Meer von Gift.’ Er ist der Mann, den Buddha den ,Narren, der seine Verwirklichung im Rang des Wirklichen erhält’ nannte. Daher, obwohl Innen und Außen durchsichtig und sein Verstehen vollkommen klar ist, so lange er in diesem Versteck der Stille, Passivität und Leere bleibt, wird in dem Moment, da die leuchtende Einsicht (die er soweit durch seine Übung gewonnen hat) in Berührung mit den verunreinigenden Bedingungen der Unterscheidung kommt, mit Aufruhr und Verwirrung, Aufregung und Beunruhigung, Liebe und Hass, da wird er sich gänzlich hilflos ihnen gegenüber sehen und das ganze Elend der Existenz wird ihn niederdrücken. Es war in der Absicht, ihn von dieser ernsten Krankheit zu heilen, dass der Rang ,Das Wirkliche inmitten der Erscheinung’ als Mittel begründet wurde.

 

 

Das Wirkliche inmitten der Erscheinung

 

Eine Greisin mit verschlafenen Augen

erblickt sich selbst in einem alten Spiegel.

Ohne Frage sieht sie ein Gesicht,

doch was sie sieht, ist nicht sie selbst.

Schade! Noch immer verwirrt, hält

sie ihr Spiegelbild für sich.

 

Wäre der Schüler im Rang ,Die Erscheinung inmitten des Wirklichen’ verblieben, wäre sein Urteil immer schwankend und seine Sicht voreingenommen gewesen. Daher lebt der Bodhisattva mit höheren Fähigkeiten sein Leben im Reich der (sechs) Stäube, im Reich aller Arten von ständig wechselnden Unterscheidungen. All die Myriaden von Erscheinungen vor seinen Augen – die Alten und die Jungen, Hohen und Niedrigen, die Hallen und Pavillions, Veranden und Korridore, Pflanzen und Bäume, Berge und Flüsse – betrachtet er als seinen eigenen ursprünglichen, wahren und reinen Aspekt. Es ist gerade so, als schaue man in einen blanken Spiegel und erblicke darin sein eigenes Gesicht. Wenn er für lange Zeit fortfährt, Überall Alles mit dieser strahlenden Einsicht zu beobachten, werden alle Erscheinungen von selbst zum Juwelenspiegel seines eigenen Hauses, und er wird gleichfalls zum Juwelenspiegel ihrer Häuser. Eihei sprach: ,Die Erfahrung der mannigfaltigen dharmas durch sich selbst ist Täuschung; die Erfahrung von sich selbst durch das Entstehen der mannigfaltigen Dharmas ist Satori.’ Das ist genau, was ich gesagt habe. Dies ist der Zustand von ,Geist und Körper abgelegt, abgelegt Geist und Körper.’ Es ist wie zwei Spiegel, die sich gegenseitig reflektieren ohne auch nur den Schatten eines Bildes zwischen ihnen. Geist und die Objekte des Geistes sind ein und dasselbe, Dinge und man selbst sind nicht zwei. ,Ein weißes Pferd zwischen Schilfblüten, Schnee in einer silbernen Schale aufgehäuft.’ Dies ist bekannt als der Juwelenspiegel-Samadhi. Dies ist es, wovon das Nirvana-Sutra spricht, wenn es heisst: ,Der Tathagata sieht die Buddhanatur mit eigenen Augen.’ In diesen Samadhi eingetreten, ,auch wenn du den großen weißen Ochsen vorantreibst, geht er nicht weg’; die Weisheit der Universalnatur manifestiert sich vor deinen eigenen Augen. Dies ist es, was mit folgenden Ausdrücken gemeint ist: ,Es gibt nur ein Fahrzeug’, ,der mittlere Weg’, ,die wahre Form’, ,die höchste Weisheit’. Doch wenn der Studierende, nachdem er diesen Zustand erreicht hat, damit zufrieden sein sollte, dann würde er, wie zuvor, in der tiefen Grube des ,Anhaftens an einen geringeren Rang der Bodhisattvaschaft’ leben. Warum ist dies so? Weil er weder vertraut ist mit der Haltung des Bodhisattva, noch die ursächlichen Bedingungen für ein Buddha-Land versteht. Obwohl er ein klares Verständnis der universellen und wahren Weisheit besitzt, kann er nicht die wundersame Weisheit hervorscheinen lassen, die die ungehinderte gegenseitige Durchdringung der mannigfaltigen Dharmas umfasst. Um ihn aus diesem Unheil zu erretten, haben die Patriarchen den Rang ,Das Kommen aus der Mitte des Wirklichen’ vorgesehen.

 

 

Das Kommen aus der Mitte des Wirklichen

 

Inmitten des Nichts existiert

ein Weg heraus aus dem Staub der Welt.

Selbst wenn du nicht fähig bist den

Namen des Höchsten auszusprechen,

wirst jenen Redegewandten du

übertreffen der jede Zunge zum

Schweigen brachte.

 

In diesem Rang verbleibt der Mahayana-Bodhisattva nicht in dem realisierten Zustand des Erreichens, sondern aus der Mitte des Meeres der Mühelosigkeit lässt er sein unverursachtes Mitgefühl hervorscheinen. Auf den vier reinen und großen universellen Gelübden stehend, peitscht er das Dharma-Rad des ,Oben Erleuchtung suchen und Unten fühlende Wesen erretten’ voran. Dies ist das sogenannte ,Herauskommen im Hineingehen, Hineingehen im Herauskommen’. Darüber hinaus muss er den Moment kennen, wo sich die paarweisen Gegensätze treffen, Helligkeit und Dunkelheit. Daher wurde der Rang ,Die Ankunft bei gegenseitiger Integration’ aufgestellt.

 

 

Die Ankunft bei gegenseitiger Integration

 

Wenn zwei Klingen sich

kreuzen, besteht kein Grund zum

Rückzug. Ein wahrer Meister des

Schwertes ist wie ein im Feuer blühender Lotos.

Solch ein Mensch hat an für sich

einen Geist weit wie der Himmel.

 

In diesem Rang dreht der Bodhisattva mit unbezwingbarem Geist das Dharma-Rad der Nicht-Dualität von Helligkeit und Dunkelheit. Er steht mitten im Schmutz der Welt, ,den Kopf mit Staub bedeckt, sein Gesicht mit Dreck beschmiert.’ Er bewegt sich durch das Gewirr von Klang und sinnlichem Vergnügen, hin- und her gestoßen. Er ist wie der im Feuer erblühende Lotus, dessen Farbe in der Begegnung mit den Flammen noch leuchtender und dessen Duft noch reiner wird. ,Er betritt den Markt mit leeren Händen’, und doch ziehen Andere Nutzen aus ihm. Dies ist es, was man ,unterwegs sein, ohne das Haus zu verlassen, das Haus verlassen und doch nicht unterwegs sein’ nennt. Ist er ein gewöhnlicher Mensch? Ist er ein Weiser? Die Sünder und Häretiker erkennen ihn nicht. Selbst die Buddhas und Patriarchen können nicht Hand an ihn legen. Wollte jemand versuchen, seinen Geist zu deuten, er wäre wie die Hörner des Hasen oder die Haare einer Schildkröte weit jenseits der fernsten Berge. Immer noch darf er diesen Zustand nicht für seinen letzten Ruheplatz halten. Daher wird gesagt, ,solch ein Mensch hat in und für sich einen himmelstürmenden Geist.’ Was muss er schließlich tun? Er muss wissen, dass es einen weiteren Rang gibt, den Rang ,Einheit erreicht’.

 

 

Einheit erreicht

 

Wer das Wagnis eingeht ihm zu

gleichen ist jenseits von Sein oder

Nicht-Sein. Alle Menschen wollen ihn

verlassen, den Strom gewöhnlichen

Lebens, doch dieser, nach aller

Erfahrung, kehrt zurück um

zwischen Kohle und Asche zu sitzen.

 

Des Meisters Kommentarvers sagt:

 

Wie oft ist nicht Tokuun, dieser nutzlose Dünnbrettbohrer

herabgestiegen von seinem wunderlichen Gipfel!

Er heuert weise Spinner an, mit ihm Schnee zu sammeln

und zusammen füllen sie den Brunnen auf.

 

 

Der Studierende, der Tozans Rang ,Einheit erreicht’ durchschreiten will, sollte zunächst diesen Versstudieren. Es ist von höchster Wichtigkeit, die fünf Stufen zu studieren und zu durchschreiten, durchdringende Einsicht in sie zu erlangen und völlig ohne Anhaften oder Zögern zu sein. Aber, auch wenn dein persönliches Studium der fünf Stufen zu einem Ende gekommen ist, der Buddha-Weg erstreckt sich endlos und es gibt keine Ruhestationen auf ihm. Die Tore des Dharma sind vielfältig.