Die 4 großen Gelübde oder Gelübde des Bodhisattva, das Shigu seigan mon, werden im Zen täglich rezitiert. Sie lauten:
Shujô muhen sei gan do
Bon-no mujin sei gan dan
Ho mon muryô sei gan gaku
Butsu do mujô sei gan jo
Die Übersetzung der Gelübde muss sich für einen Laien sehr extrem anhören, aber dieser Eindruck täuscht. Hier die Übersetzung aus dem Sino-Japanischen:
Unzählig sind die lebenden Wesen,
ich gelobe, sie alle zu befreien.
Unerschöpflich sind die leidschaffenden Illusionen,
ich gelobe, sie alle zu überwinden.
Unermesslich sind die Tore des Dharma,
ich gelobe, sie ganz zu durchdringen.
Unendlich ist der Buddha-Weg,
ich gelobe, ihn ganz zu verwirklichen.
Ein gutes Stück Arbeit
Alle lebenden Wesen zu befreien ist schon mal ein gutes Stück Arbeit und so mancher fragt sich, ob er jemals damit fertig werden kann, wenn doch täglich über 2.156 Kinder geboren werden und das allein in Deutschland (Statistik Jahr 2017). Das sind 784.901784.901 lebende Wesen pro Jahr und das auch nur, wenn wir die Geburten von Tieren nicht mitzählen.
Doch was hat Shakyamuni Buddha ausgerufen, als er beim Erblicken des Morgensterns das Erwachen verwirklicht hat? „Gemeinsam mit allen lebenden Wesen habe ich das große Erwachen realisiert.“
Das wichtige Wort in diesem Ausspruch ist „Gemeinsam“. Wenn Satori geschieht, dann ist das verbunden mit einem unvorstellbaren Gefühl von Solidarität mit allen lebenden Wesen und wir erkennen, dass alle Wesen bereits befreit sind. Doch solange wir das für uns selbst nicht verwirklicht haben, scheint es, dass die Wesen nicht befreit sind.
Die Idee alle Wesen zu retten, bevor man selbst ins Nirvana eingeht, stammt aus dem frühen Mahayana-Buddhismus. Die Praktizierenden hatten erkannt, dass solange wir auf ein Ziel wie das Nirvana hinarbeiten, keine Befreiung geschehen kann, da nach wie vor an der Illusion „ich“ festgehalten wird.
Im Zen, das wiederum ein der größten Traditionen des Mahayana ist, wird gesagt, dass der Bodhisattva auf seine eigene Befreiung im Nirvana so lange wartet, bis alle lebenden Wesen befreit sind.
Die Wurzel Leid schaffender Täuschungen
Die Leid schaffenden Illusionen, die in den 4 großen Gelübden rezitiert werden, haben als Wurzel die drei Geistesgifte Gier, Hass und Verblendung. Das bedeutet Anhaftung, Ablehnung und Täuschung, in Form der Identifikation mit diesem Körper-Geist-System, als Grundlage der beiden erstgenannten.
Wenn wir die Wurzel aller Täuschungen überwinden, überwinden wir alle leidschaffenden Illusionen. Diese Wurzel ist die Identifikation mit dem Ego-Verstand als Denker und Handelndem.
Das torlose Tor des Zen
Die Tore des Dharma werden manchmal als die 6 Sinnesorgane (im Buddhismus ist das Bewusstsein der 6. Sinn) an anderen Stellen als die Erkenntnisse auf dem Weg bezeichnet. Im Zen spricht man vom „torlosen Tor“ oder so genannten aufgestellten „Dharma Schranken“, die durchdrungen werden müssen auf dem Weg zur Erkenntnis.
Der ewige Augenblick jetzt
Unendlich ist der Buddha-Weg, den wir ganz verwirklichen wollen in der Erkenntnis, dass er schon immer verwirklich ist, weil jeder Moment der ewige Augenblick jetzt ist. Auch wenn ein Vorher oder Nachher eine Täuschung des menschlichen Bewusstseins ist, so drückt sich der unendliche Weg zum Beispiel in der Weitergabe der Praxis, von Mensch zu Mensch, seit über 2.500 Jahren aus.
Doch jetzt Schluss mit dem ganzen Gesabbel und geistigem Dünnschiss! Die gemeinsame Rezitation in der Gruppe bringt die eine unaussagbare Wahrheit zum Ausdruck, in der viele verschiedene Stimmen zu einer Rezitation verschmelzen. Das ist der Buddha-Weg, das ist das Tor des Dharma, die Überwindung der Leid schaffenden Illusionen und letztendlich die Befreiung aller Wesen in der Erkenntnis, das wir nie gefangen waren.