In wohl keinem anderen spirituellen Weg wird der Schlag mit einer ca. 90 cm langen Holzlatte praktiziert, um den Schüler zur Erleuchtung zu führen. Was für einen Außenstehenden nach Kasteiung und Bestrafung klingen mag, ist in Wahrheit eine Wohltat für Körper und Geist, wenn man auf einem Sesshin oder intensiven Retreat um den Kyosaku (oder Keisaku) bittet.
Wir bitten um den Kyosaku
Im Gegensatz zu früheren Zeiten, wird der Kyosaku heutzutage nur auf Wunsch des Schülers oder Teilnehmers gegeben. Während der Kyosaku-Verantwortliche seine Runde im Dojo abgeht, kann der Teilnehmer die Hände in Gassho vor den Brustkorb heben und so um den Kyosaku bitten.
Gebender und Empfangender verbeugen sich zeitgleich nach vorne zur Wand, verschmelzen in der Handlung des Augenblicks und der gemeinsamen Atmung. Der Empfangende legt seine Hände mit dem Handrücken auf die Knie und dreht den Oberkörper, mit der Nase Richtung Knie zeigend in die richtige Position. Der obere Anteil des Trapezmuskels wird geöffnet und „präsentiert“. In diesem Bereich befinden sich wichtige Energie- und Akupressurpunkte, die durch die Gabe des Kyosaku stimuliert werden.
Ein wichtiger Punkt
Das Empfinden beim Empfangen des Kyosaku zu beschreiben ist schwer. Es ist… Ach ich lass es bleiben. Ein jeder muss es selbst für sich erfahren. Einen wichtigen Punkt gibt es aber:
Die Qualität mit der der Kyosaku gegeben und empfangen wird ist dieselbe. Gebender und Empfangender verschmelzen in der Handlung dieses Rituals zu einem. Wenn der Kyosaku richtig gegeben wird, durchdringt der Schlag jede Körperzelle und vielleicht sogar das ganze Universum.
Wir erwachen aus der Identifikation mit dem Verstand, der entweder sehr aufgeregt ist, so dass wir uns von den Gedanken mitgerissen fühlen, oder der sehr müde und schläfrig ist. In beiden Fällen kann uns der Kyosaku unterstützen, die Konzentration auf den Augenblick hier und jetzt zu intensivieren.
Angst vor dem Kyosaku
Wenn jemand, gerade zu Beginn der Praxis und auf Grund vorbelasteter Erinnerungen, Angst vor dem Kyosaku hat oder dessen Gebrauch nicht wirklich versteht, sollte er einen erfahrenden Schüler, Mönch oder Meister danach befragen. Die Angst vor dem Geben des Kyosaku, genauso wie vor dem Empfangen des Kyosaku, darf nicht verdrängt werden.