Zen - Die Leerheit allen Seins

Im Hannya Shingyo, einem der am meisten rezitierten Sutras in den Zen-Dojos und -Klöstern, lautet das zentrale Thema: "Form ist Leerheit und Leerheit ist Form."

 

Das dieses Sutra einen besonderen Stellenwert im Zen einnimmt zeigt, dass hierin ein wesentlicher Punkt, wenn nicht sogar der wesentliche Punkt, betrachtet wird. Was aber ist Form und Leerheit?

 


Form (Shiki)

 

Auch übersetzt als Erscheinungen, Phänomene oder bedingtes Dasein, steht Form (Shiki) für den Blickwinkel aus der relativen Wirklichkeit. Die Dinge scheinen aus sich selbst heraus zu existieren, sind getrennt und unabhängig voneinander.

 

Es gibt Geburt und Tod, Erscheinen und Verschwinden sowie die gesamte Wahrnehmung der Dualität von hell und dunkel, schön und hässlich, Gut und Böse etc.

 

Im Grunde kann man sagen, dass es die dualistische Wahrnehmung der Welt ist, wie sie von den meisten Menschen wahrgenommen wird.

 

Leerheit (Ku)

 

Dieser Begriff ist schon etwas schwerer mit Worten zu beschreiben. Im Grunde sollte der Begriff nicht substantiviert werden, indem wir von „der Leerheit“ sprechen. Leerheit bedeutet, dass die Dinge leer sind von einem aus sich selbst heraus existierenden Sein.

 

Nichts in der Welt kann aus sich selbst heraus, das heißt ohne Ursachen, existieren. Alles ist wechselseitig voneinander abhängig und beeinflusst sich gegenseitig.

 

Das war einer der wesentlichen Punkte, zu denen Shakyamuni Buddha erwachte, als er still in Zazen saß. Er erkannte, dass wenn „Dieses“ vergeht, auch „Jenes“ vergeht. Wenn „Dieses“ entsteht, auch „Jenes“ entsteht.

 

Er erkannte, dass alle Dinge leer sind von Eigenexistenz und nicht aus sich selbst heraus existieren können. Das bedeutet nicht, dass sie nicht existieren. Es ist Existenz ohne Eigenexistenz.

 

So sind Shiki und Ku lediglich zwei verschiedene Blickwinkel auf ein und dieselbe Wirklichkeit und können nicht voneinander getrennt werden. So wie die Vorderseite eines Blatt Papiers nicht von der Rückseite getrennt werden kann.

 

Unsere Persönlichkeit ist wie ein Auto.

 

Ein Auto besteht grob gesagt aus Reifen, Achsen, Karosserie, Sitzen und Motor. Doch all diese Dinge bestehen für sich selbst aus bestimmten anderen Dingen. Diese wiederum haben ihr eigenen Ursachen usw.

 

Die Reifen als Beispiel bestehen aus der Felge, dem Schlauch, dem Luftventil, den Schraumen und dem Reifenmantel. Und woraus genau besteht das Luftventil?

 

Im Grunde gibt es da kein Auto, sondern lediglich ein Zusammenwirken von vielen anderen Dingen, die wiederum selbst aus vielen anderen Dingen bestehen. Zwecks der zwischenmenschlichen Konversation jedoch benutzen wir das Wort „Auto“.

 

Aber Worte können niemals die Sache selbst sein. Das Wort „Messer“ schneidet nicht und das Wort „Brot“ macht nicht satt.

 

Die Person, für die wir uns halten, besteht grob gesagt aus Körper, Sinneswahrnehmung, Gefühlen, Gedanken und Bewusstsein. Oder buddhistisch ausgedrückt den 5 Skandhas.

 

Während Zazen können wir diese 5 Skandhas beobachten und wahrnehmen, dass sie auf der einen Seiten nicht aus sich selbst heraus existieren und wir auf der anderen Seite nichts zu tun brauchen, damit diese ablaufen und geschehen.

 

Wir sprechen von einer Person, aber im Grunde gibt es da keine Person. Genauso wenig, wie es da ein Auto gibt, da es lediglich der Zusammenschluss vieler anderer Elemente ist, die wiederum selbst nicht ohne Ursache und lediglich wechselseitig bedingt sind.